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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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seiner Pflicht, auf Erden die Gottlosigkeit zu verfolgen und zu ahnden.«
    »Also taten die Papisten recht, Cabassus zu verbrennen?«
    »Wir hätten ihn genauso verbrannt«, sagte Monsieur de Gasc.
    »Auf kleiner Flamme, wenn das Feuer nicht gezündet hätte?«
    »Glaubt Ihr denn, Monsieur de Siorac, der Regen sei Zufall gewesen und nicht ein Werk der Vorsehung?«
    »Ha! das lange Leiden von Cabassus war also gottgewollt, und wer immer es abkürzte, hat eine Sünde begangen? Weil er dem göttlichen Willen zuwiderhandelte? Verstehe ich Euch recht, Herr Pastor?«
    »Aber gewiß.«
    Ich senkte den Blick, erstarrt bis ins Mark von dem Gehörten. Und mein Instinkt witterte irgendwie Gefahr: wenn der Pfarrer beim Gericht erfahren haben will, daß ich der Arkebusenschütze war, und Hugenotten wie Papisten mir als Ruchlosigkeit ankreiden, was ich für Mildtätigkeit hielt, muß ich mich da nicht vorsehen? Wer weiß, ob die Information nicht in beide Richtungen läuft? Und ob nicht alles, was ich sage, morgen bei Gericht wiederholt wird?
    »Ihr habt mir meine Frage nicht beantwortet«, sagte Monsieur de Gasc. »Habt Ihr auf Cabassus geschossen?«
    »Nein«, sagte ich entschieden und sah ihm fest ins Auge. Ob er mir glaubte oder nicht, weiß ich bis heute nicht zu sagen.
    »Monsieur de Siorac«, sprach er, »ich gebe Euch Euerm Gewissen anheim. Mögt Ihr mit ihm ins reine kommen, oder das Gewissen mit Euch.«
    Eine eher zweifelhafte Verabschiedung, doch ich wertete sie als höflich. Mit eherner Miene hielt ich den Blick gesenkt, nicht aber das Haupt, dann verneigte ich mich tief, ohne daß Monsieur de Gasc meinen Gruß erwiderte oder ein Abschiedswort sagte, und entfernte mich. Bei den Papisten längst verhaßt, sah ich mich nun auch bei den Meinen in schlechtem Ruch, zweifelte freilich nicht, daß sie mich, falls die ersterenmich ermordeten, aus Parteigeist rächen würden: ein schwacher Trost nach dem Verweis, den ich mir eingehandelt hatte.
    Die Kutsche von Madame de Joyeuse erwartete mich in der Rue de la Barrelerie; mir noch die Zeit nehmend, mein Wams aus blauem Satin anzuziehen, stieg ich mit dem Gedanken ein, daß ich es einer Weiberschürze verdankte, die mit einem Namen zu belegen Pfarrer de Gasc nie wagen würde, sowenig wie er die Grabschändung erwähnt hatte. Vielleicht wußte er, daß die mich belastenden Passagen aus dem Vernehmungsprotokoll entfernt worden waren; zudem war solches in seinen Augen eine mäßige Sünde, verglichen mit der Todsünde, daß ich einem Gottlosen das Erleiden in hiesiger Welt um wenige Minuten verkürzt hatte.
    Wo ist hier die Menschlichkeit? sann ich. Wo ist der Gott des Verzeihens und der Liebe? Haben die Reformierten es darin weiter gebracht als die Papisten? Oder wandeln nicht auch wir noch in den Finsternissen und dem Irrsinn der antiken Grausamkeit?
    Ich mußte jedenfalls annehmen, daß mir der Arkebusenschuß in allen Lagern sehr geschadet hatte. Groß meine Pein, als ich merkte, daß ich auch im Palais Joyeuse Unmut erregt hatte. Aglaé de Mérol empfing mich mit abweisender Kälte, versagte mir ihr Lächeln und also den Anblick ihrer Grübchen, geschweige das Vergnügen, ihnen meine Küßchen aufzudrücken.
    Wie eiseskalt mag da die Herrin sein, wenn schon die Begleitdame so kühl ist! dachte ich bang.
    »Im Augenblick, Monsieur de Siorac«, sprach Madame de Joyeuse, sobald wir allein gelassen waren und sie eine gestrenge Miene aufgesetzt hatte, ohne mir die Hand zum Kuß zu reichen, »im Augenblick, damit Ihr es wißt, seid Ihr bei mir in Ungnade. Monsieur de Joyeuse zürnt Euch sehr und sagt unumwunden, daß Ihr seinen Schutz nicht verdient, da Ihr Narrheit um Narrheit begeht, Verbrechen um Verbrechen; mit dem jüngsten habt Ihr die ganze Stadt gegen Euch aufgebracht. Könnt Ihr mir sagen, Monsieur, was Euch zu diesem Schuß verleitet hat?«
    »Madame, mein Mitleid«, sagte ich. Der unwirsche Empfang hatte mich widerspenstig gemacht, so daß ich trotzig diese Antwort gab.
    »Monsieur, Euer Mitleid gilt dem falschen Mann«, sagte sie, pikiert über meinen Ton. »Ein Gottloser! Seid Ihr unter die Gottlosen gegangen?«
    »Madame, Ihr beleidigt mich. Ich glaube an Gott, aber Cabassus war für mich nicht nur ein Gottloser, er war ein Mensch, ich konnte seine Marter nicht ertragen. Wenn ich unrecht tat, wird Gott mich richten.«
    »Soll das heißen, Monsieur, den Menschen stehe es nicht an, über Euch zu richten? Wagt Ihr es, so jung Ihr seid, mich des Unrechts zu zeihen?«

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