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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Anlaß gegeben zu seinem Verderben.«
    »Der Anlaß ist nicht die Ursache.«
    »Ha, der Logiker!« rief ich. »Wir streiten hier, und draußen brüllt ein Sterbender. Hände weg vom Lauf, Fogacer!«
    Fogacer erkannte an meinem Blick, daß er mich von meinem Entschluß nicht abbringen konnte, und ließ die Waffe los. Ich legte an, zielte und drückte ab. Und wich sofort zurück, damit der Pulverdampf nicht nach draußen drang. Dann lehnte ich die Arkebuse gegen die Wand und eilte ans Fenster zurück. Cabassus’ Kopf hing auf die Brust herab, er schrie nicht mehr. Und der Zufall wollte es, daß im selben Augenblick das Donnergrollen verstummte und der Regen aussetzte. Mit einemmal große Stille auf dem Platz, vorbei das Hin- und Herwogen der Menschen, alle standen wie festgenagelt. Wieder berieten die Domherren, der älteste richtete sich in den Steigbügeln auf und rief in die Menge:
    »Der Rauch des hier verbrannten Gottlosen hat den Himmel erzürnt, und ihr wart Zeuge seines Zorns und seines Erbarmens.«
    Mit Freudengeheul antwortete das Volk auf diesen sehr geschickt formulierten Satz, der nicht ausdrücklich sagte, daß der Herrgott Cabassus mit seinem Blitz erschlagen habe – niemand hatte einen Blitz niederfahren sehen –, gleichwohl aber bedeutete, daß der Herr eingegriffen habe, den Gottlosen zu strafen und auch, in seiner Gnade, dem langen Sterben ein Ende zu setzen.
    »Es ist vollbracht«, rief der Domherr, als die Menge verstummte und er weitersprechen konnte. »Betet mit uns das Vaterunser. Sodann möge ein jeder nach Hause gehen, ohne die öffentliche Ordnung zu stören.«
    Mit dröhnender Stimme, die den ganzen Platz zu erfüllen schien, sprach er das Gebet des Herrn, in das die Menge mit Inbrunst einstimmte.
    »Siorac, Eure Lippen bewegen sich nicht«, sagte Fogacer bitter und verdrossen. »Ihr betet nicht? Ihr betet nicht mit diesen Heuchlern, die es wagen, von Erbarmen zu reden! Dabei seid Ihr der alleinige und wahrhaftige Urheber dieses Wunders, das sie feiern!«
    »Spottet nicht, Fogacer! Ich werde diesen Scheiterhaufen mein Lebtag nicht vergessen«, erwiderte ich, schloß das Fenster, hockte mich auf einen Schemel und vergrub das Haupt in den Händen.
    »Wie auch immer, nach diesem Wunder wird niemand Euch beschuldigen können, geschossen zu haben«, sagte Fogacer.
    Doch hierin täuschte er sich, wie ich am Abend des folgenden Tages von ihm erfuhr (nachdem er seinen Freund gesprochen). Die Richter argwöhnten, irgendwer habe Cabassus mit einem Arkebusenschuß getötet, und meinten, nur ich könne es gewesen sein aus so günstig plaziertem Fenster. Nach langer Erörterung gelangten sie allerdings zu dem Schluß, zuwider der von allem Volk geglaubten Version göttlichen Eingriffs keine Untersuchung aufnehmen zu können; auch wollten sie Vicomte de Joyeuse nicht abermals brüskieren. Ihr Zorn auf mich aber wuchs im gleichen Maße wie ihre Ohnmacht, und Fogacer riet mir, die Stadt zu verlassen.
    »So wie Ihr auf Cabassus geschossen habt, kann jeder beliebige Kerl Euch von einem Fenster aus abknallen! Was nützen Euch da Tapferkeit und Waffen?«
     
    Zehn Tage nach der Hinrichtung von Cabassus wurde die Mangane verbrannt – ein Tod, der mir sehr nahe ging.
    Ich weiß nicht, wer Vignogoule diesmal bezahlte, doch dem Vernehmen nach erdrosselte der Henker das arme Mädchen wirklich. Und da auch schönes Wetter herrschte, die Reisigbündel knackend trocken waren, brannte der Scheiterhaufen im Nu nieder und verwandelte einen leblosen Körper in Asche. Die Menge freilich, damals murrend, daß Cabassus zu lange litt, murrte diesmal, daß die Mangane nicht satt genug zu leiden hatte.
    Noch am selben Tag kam ein Diener mit der Nachricht, daß ein Prediger des reformierten Glaubens, Abraham de Gasc, mich zu sprechen wünsche. Mich wunderte solche Bitte, und zumal ich den Diener nicht kannte, fürchtete ich einen Hinterhalt und schickte Miroul zu Monsieur de Gasc, ob er mich wirklich sprechen wolle. Dem sei so, wurde mir beschieden. Also tauschte ich mein Wams aus blauem Satin gegen die schwarze Kleidung, die meinem gestrengen Befrager besser zusagen würde, und schlich mich, wohl bewaffnet, die Mauern entlang ins Haus des Predigers. Selbiges wirkte nicht ärmlich: Monsieur de Gasc betrieb in Montpellier einen Handel mit Kerzen, die er aus Lyon bezog, und machte damit ein blühendes Geschäft.
    Dennoch dünkte mir die innere Ausstattung sehr karg, Monsieur de Gasc mochte wohl lieber Gold in den Truhen

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