In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
haben, diesen Gauner und Dieb, ich meine dieses Scheißstück von Konsul, deinen SohnGui Rochette. Er möge vor uns erscheinen und Rechenschaft ablegen, wie er die Stadt verwaltet hat!«
»Mein Sohn verdient so schmutzige, beleidigende Worte nicht«, sagte die Dame nicht ohne Würde. »Im übrigen ist er nicht da.«
»Er ist da, gar kein Zweifel! Und soll sofort sein verräterisches Verrätergesicht im Fenster zeigen, oder ich zünde das Haus an!« rief Possaque.
»Und wenn Ihr es lichterloh ansteckt, er ist nicht hier«, entgegnete die Dame fest. »Ich sage es – und bei Christus, der mich hört, wiederhole und beschwöre ich’s. Wo er jetzt ist, weiß ich nicht. Zu Mittag ist er plötzlich fort, gar ohne Hut.«
Als unsere Männer dies hörten, murrten sie laut und fluchten, daß der Schuft aus der Stadt entwischt sei. »Ruhe!« schrie Possaque, »das ist nicht möglich. Zu der Zeit hatten wir die Tore schon geschlossen.« Da sah ich die Dame seltsam erbleichen, auch Possaque mochte es gemerkt haben und dahingehend deuten, daß die Frau die Wahrheit sagte. Er befahl weiterzumarschieren.
Dieser erste Zwischenfall, bei dem sich Possaque so gemein gezeigt hatte, ließ mich Schlimmes ahnen, ich wandte mich an Vigier und fragte leise:
»Was hat dieser Gui Rochette denn Schlimmes getan?«
»Nichts, Moussu, er war nur eben Erster Konsul und ganz wild gegen uns und hat im November vergangenen Jahres durchgesetzt, daß alle vier Konsuln aus dem Kreis der Papisten gewählt wurden, nicht zwei von ihnen, zwei von uns, wie wir es wollten. Wir haben die Wahl bei Monsieur de Joyeuse angefochten, aber der beschissene kleine Vicomte, der sein Fleisch mit einer Gabel ißt (habt Ihr sowas schon mal gehört?), hat gegen uns entschieden. Rochette wird also niedergemacht, wenn wir ihn finden, vielleicht auch die drei anderen Konsuln, was aber noch nicht sicher ist, weil sie weniger papistisch sind. Rochette aber steckt immerzu beim Bischof Bernard d’Elbène, um ihm die Hand zu küssen und mit ihm Scheiterhaufen auszuhecken, wo sie uns verbrennen könnten, wenn der König zustimmt. Heiliger Michael! dieses Gezücht rotten wir aus!«
»Was denn! auch den Bischof?«
»Auch den Bischof! Obzwar er kein übler Mensch ist. Aber wir werden nicht so schlimme Türken sein wie sie: wir errichtenkeine Scheiterhaufen. Nein, mein edler Moussu, ein trefflicher Stich mit dem Dolch in den Hals, und schon beten sie die Jungfrau Maria in der anderen Welt an und überlassen diese Welt uns.«
Als ich Vigier so reden hörte, hegte ich keinen Zweifel mehr: dieser schöne, sonnige Septembertag würde in Blutvergießen enden. Und während ich noch solch betrüblichen Gedanken nachhing, kam uns ein Trupp Hugenotten entgegen, drückte sich rechts an die Seite, um uns passieren zu lassen. Ihr Anführer, ein großer Rotschopf, schwang seinen Degen und rief:
»Gefährten! Neue Welt! Condé und Coligny haben den König auf Schloß Monceaux gefangengesetzt! Die Medici, die alte Hündin, ist niedergemacht! Ebenso ihre Rüden Anjou und Alençon. Freunde! Lyon ist von den Unseren erobert! Bald folgen Montpellier, Toulouse, Paris!«
Ich glaubte davon kein Wort, zu Recht, doch auf Samson, den ich leise zum Schweigen ermahnte, und mehr noch auf unsere Begleiter tat dies große Wirkung. Sie glaubten wirklich, jetzt das ganze Königreich unter ihrem Stiefel zu haben, und gewaltig schwoll ihr Durst auf Rache, meinten sie doch, ihre Handlungen nicht mehr rechtfertigen zu müssen, auch nicht dem König gegenüber, der ja, wie man ihnen soeben weisgemacht, in ihrer Gewalt war. Die leidigen Folgen dieser Ereiferung hatte ich sogleich vor Augen, denn Possaque blieb stehen und fragte den Rotschopf, wer die beiden Männer seien, die er als Gefangene mitführte.
»Nur Kroppzeug, das ich ins Rathaus abführe: der Seiler Guérinot und der Seidenarbeiter Doladille, wilde Papisten beide.«
»Kleine Beute«, sagte Possaque mit einem Achselzucken.
Doch als Jean Vigier den Namen Doladille hörte, wurde er ganz bleich vor Wut. Er drängte wild an allen vorbei, die ihm im Wege standen, packte den unglücklichen Seidenarbeiter an der Halskrause, schrie: »Ha, Doladille, du Schuft!« und versetzte ihm mit seiner Waffe einen gewaltigen Hieb, jedoch so stümperhaft, daß er ihm nur eine Schmarre am linken Arm beibrachte. Possaque packte Vigier am Arm und herrschte ihn an: nicht er, sondern die Anführer entschieden über Exekutionen. Worauf er den abgekanzelten Vigier zurück ans
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