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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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geendet hatte, erhob er sich, grüßte mich mit tiefer Verbeugung, auchdiesmal die Mütze nicht lüpfend, reichte den Brief der Wirtin, verschränkte die Hände über dem dicken Bauch und sprach mit sanfter Stimme:
    »Madame, der Brief stammt von der Vicomtesse de Joyeuse und ist an Monsieur de Montcalm gerichtet, den Stellvertreter unseres Seneschalls. Ihm anempfiehlt sie diesen Edelmann, der ihr kleiner Vetter ist …«
    »Der kleine Vetter von Madame de Joyeuse!« rief die Wirtin überrascht und betrachtete mich nun mit ganz anderen Augen.
    »Dieser Edelmann heißt Pierre de Siorac«, fuhr der Koch fort, die Hand hebend, wie wenn er es nicht gewohnt wäre, unterbrochen zu werden. »Er ist der Zweitgeborene des Barons von Mespech im Périgord. Monsieur de Siorac und sein Bruder Samson sind Scholaren. Pierre de Siorac hat in Montpellier einige Unbedachtheiten begangen (hier musterte mich die Wirtin mit zärtlichem Blick und meinte wohl, meine Torheiten erraten zu haben), die Vicomtesse bittet Monsieur de Montcalm, die jungen Herren kurze Zeit bei sich aufzunehmen, bis sich die Geister in Montpellier wieder beruhigt haben. Madame de Joyeuse fügt hinzu, daß Monsieur Pierre de Siorac ein loyaler Hugenotte sei und keinesfalls die Waffe gegen seinen König erheben werde …«
    »Ha, Moussu, das beruhigt mich!« rief die Wirtin. »Nun habt Ihr mein volles Vertrauen, und ich will Euch nun auch nicht vorenthalten …«
    »Madame, Ihr vertraut vorschnell«, fiel ihr der Koch gebieterisch ins Wort. »Monsieur de Siorac dünkt mir ein Edelmann von gutem Schrot und Korn, doch er ist Hugenotte und wird seiner Partei getreulich folgen …«
    »Gewiß, aber nicht Mord für sie begehen! Oder dem König eine Stadt entreißen!« rief ich. Und auf den Koch zutretend, ergriff ich seine Hände (die nicht die Hände eines Kochs waren) und sprach zu ihm: »Gevatter, wenn ich hier jemanden retten kann, indem ich ihn vor den Übergriffen der Meinen bewahre, will ich es tun!«
    Mein Gedanke war, daß sich unter seiner weißen Mütze vielleicht die Tonsur eines Priesters verbarg und er solche Verkleidung hatte wählen müssen, um denen zu entgehen, die augenblicklich Jagd auf alles machten, was Soutane trug.
    »Noch ist nichts verloren«, fügte ich hinzu. »Man macht Gefangene, tötet sie aber nicht.«
    »Ach, Herr von Siorac, da täuscht Ihr Euch!« rief der Koch, und Tränen traten ihm in die Augen. »Noch haben die Aufständischen Befehl, die Gefangenen heil und unbehelligt ins Rathaus zu bringen, doch es ist durchgesickert, daß sie schon heute nacht insgeheim umgebracht werden sollen. Und mindestens in einem Fall hat der fanatische Zorn die Hinrichtung bereits vollzogen: heute mittag wurde der Generalvikar Jean Péberan in seiner Wohnung vom Kanzleischreiber La Grange und zwanzig weiteren bewaffneten Männern überfallen und auf der Stelle niedergestochen.«
    »Das ist gemeiner Frevel!« sagte ich, »und ich beginne nun, um die Sicherheit von Monsieur de Montcalm zu bangen. War er bei meiner Partei schlecht angesehen?«
    »Sehr schlecht«, sagte die Wirtin, »doch es heißt, er habe sich, bevor die Tore geschlossen wurden, mit Frau und Tochter retten können und den Weg in die Provence genommen, wo er einen gut bewehrten Landsitz mit Wassergraben, Türmen und Pechnasen hat.«
    »Meine Freundin, gebt mir etwas zum Beißen, mein Hunger ist groß, dann will ich mich aufmachen und erkunden, wie es um Monsieur de Montcalm steht. Das an ihn gerichtete Schreiben aber versteckt an sicherem Ort, es soll nicht bei mir gefunden werden, falls aufgebrachte Leute mich durchsuchen.«
    »Moussu«, sprach die Wirtin zu mir, mit wohlgesinntem Blick oder gar mehr, »Ihr solltet besser hier bleiben, zur Stunde ist man auf den Straßen großer Gefahr ausgesetzt.«
    »Meine Freundin, nichts wäre mir lieber, als bei Euch zu bleiben«, sagte ich mit einem Lächeln. »Doch ich habe eine Verpflichtung gegenüber Monsieur de Montcalm, der mein Gastgeber sein sollte, und mehr noch gegenüber Madame de Joyeuse, die mich zu ihm gesandt hat.«
    Da bat die Wirtin den Koch sehr höflich, mir meinen Braten anzurichten. Er hatte augenscheinlich nicht daran gedacht und erhob sich. Doch bevor er ging, trat er an mich heran und sprach in bittendem Ton:
    »Monsieur, der Bischofssitz befindet sich unmittelbar neben dem Haus von Monsieur de Montcalm, vielleicht könntet Ihr Euch etwas umschauen und erfahren, ob man unserem Bischof Bernard d’Elbène auf der Spur ist, der

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