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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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sich seinen Verfolgern bisher entziehen konnte.«
    »Um Christi Liebe willen werde ich das tun«, sagte ich. Hierauf der seltsame Koch mich ehrerbietig grüßte und sich in die Küche zurückzog.
    Ich speiste in meinem Zimmer, allein mit Samson. Und als wir geendet hatten, sagte ich ihm, ich würde ausgehen, er solle in seinem Zimmer auf mich warten und mit niemandem sprechen; falls die Unseren ihn ausfragen würden, solle er sagen, wir seien auf Besuch in der Stadt und um Hauptmann Bouillargues ein Schreiben zu überbringen. Mehr nicht. Keine Meinungen äußern, sich nicht für oder gegen die Vorgänge in der Stadt erklären, auch nichts verlauten, was eine Beleidigung des Königs, der Königinmutter oder der Brüder des Königs sein könnte. Und schließlich erinnerte ich ihn noch daran, daß unser Vater sich als loyaler Hugenotte bewiesen, den Degen nicht gegen den König gezogen und sich an der Belagerung von Sarlat nicht beteiligt hatte, weil ihm dies pure Rebellion schien und die Exekution von Priestern und papistischen Bürgern nichts als gemeine Meuchelei, unehrenhaft und eine blutige Schmähung unserer Gesetze.
    Ich bewehrte mich mit Degen und Kurzschwert, verzichtete aber wegen der drückenden Hitze auf Brustpanzer und Helm. Die Wirtin führte mich durch eine Hintertür auf ein Gäßchen hinaus, wo Miroul, in gleicher Weise bewaffnet, schon auf mich wartete.
    »Was tust du hier?« rief ich erstaunt.
    »Ich will Euch nicht allein gehen lassen, Moussu!«
    »Und wie bist du aus dem Haus geschlüpft?«
    »Durch die Luke da im zweiten Geschoß.«
    »Heilige Jungfrau!« rief die Wirtin. »Es muß einer schon eine Fliege oder ein Vogel sein, um von da oben heil herunterzukommen.«
    »Ich habe ihn noch ganz anders klettern sehen!« sagte ich, ein bißchen stolz auf Mirouls wunderbare Wendigkeit. Gleichwohl tat ich etwas ungehalten.
    »Miroul, wer hat dir befohlen, mich zu begleiten?«
    »Der Herr Baron von Mespech hat mir aufgetragen, Euch zu begleiten, wann immer Gefahr droht. Und droht uns jetzt nicht Gefahr?«
    »O ja, er hat recht«, sagte die Wirtin. »Mein edler Moussu, seht Euch gut vor. Und du, Miroul, achte auf ihn!« Hierauf sie,nicht ohne daß ihre schönen Augen mir einen großen Strauß Versprechungen zuwarfen, die Tür hinter sich schloß.
    Auf der Straße traf ich wieder jene bewaffneten Trupps, die wie närrisch schrien »Tod den Papisten! Neue Welt!« und uns argwöhnisch beäugten. Doch ich machte gefaßte Miene, tat ernst und selbstsicher, daß keiner sich heranwagte und zu wissen begehrte, was wir da suchten. So schlüpfte ich durch alle Maschen dieses Netzes und erreichte die Kathedrale, in deren Nähe sich der Bischofssitz und das Haus von Monsieur de Montcalm befanden.
    Auf dem Platz drängten sich zuhauf Hugenotten, eifrig am Werke – bewaffnet die einen, andere unbewaffnet –, die Kirche zu plündern. Sie schleppten die Kreuze hinaus, die Gemälde, die Statuen, das Gestühl der Domherren, schlugen mit Äxten alles in Trümmer, versäumten jedoch nicht, die sakralen Gefäße und die goldbestickten Drapierungen mitzunehmen. Vor der Kirche unterhielten andere ein großes Feuer, wo sie die feudalen Titel und Schuldbriefe des heiligen Kapitels verbrannten. Niemand in Nîmes und Umgebung werde mehr einen Sol an die Domherren entrichten, schrien sie. Und indes alle sich in unbändiger Freude dem Zerstören hingaben, als würde aus den Trümmern und der Asche wahrhaftig eine neue Welt erstehen, kamen Miroul und ich ungesehen vorbei und gelangten zum Bischofssitz. Dort wagte ich nicht einzutreten, weil der Palast von Soldaten wimmelte, die alles kurz und klein schlugen.
    Nahe dem Bischofssitz sah ich ein stattliches Gebäude mit einem Treppenturm und zwei vorspringenden Etagen. Es mochte das Haus von Monsieur de Montcalm sein, und da ich die Pforte unverschlossen fand, trat ich ein, gefolgt von Miroul. Drin stieß ich auf ein Dutzend bewaffneter Leute, die am Plündern waren und sich durch mein Erscheinen sehr gestört fühlten. In dem einen erkannte ich den hünenhaften Rotschopf, welcher Possaque die vermeintliche Gefangensetzung des Königs gemeldet hatte. Mit Schmähgebärde trat er auf mich zu, Pistole in der Hand, und herrschte mich beleidigend an:
    »Bursche, wer bist du? Was treibst du hier?«
    »Monsieur«, erwiderte ich hochfahrend, »ich heiße Pierre de Siorac und bin der Zweitgeborene des Barons von Mespech aus dem Périgord. Monsieur de Montcalm«, log ich, »schuldet meinem Vater

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