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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Einbrecher werden!« sagte der lange Hagere. »Da würde ich mein Brot leichter verdienen denn als Flickschuster.«
    Und damit sie sich nicht anders besännen, erzählte ich ihnen die Geschichte, wie Miroul nachts in Mespech eingedrungen, und hielt sie in Atem, bis endlich die Wirtin die Tür öffnete, was sie ohne das mindeste Erschrecken tat, wie eben eine Frau, die in ihrem Haus den Trubel der Männerwelt zu meistern weiß. Schon ihren ersten Worten entnahm ich, daß Miroul sie über die uns drohende Gefahr in Kenntnis gesetzt hatte.
    »Freunde, seid willkommen«, sprach sie, »sofern ihr Gäste dieses hugenottischen Edelmannes seid – denn ich habe Befehl, an Papisten nichts auszuschenken, obwohl ich selbst eine Papistin bin.«
    »Ihr könnt es auch bleiben, Frauen rühren wir nicht an«, sagte Jean Vigier.
    »Wie klug von euch!« sagte die Wirtin. »Wer würde sich sonst um euern Braten kümmern? Und löscht die Lunten eurer Arkebusen, Freunde, ehe ihr eintretet. Und bittschön, legt auch eure Brustpanzer, Kettenhemden und Helme ab, hübsch sauber auf einen Haufen, damit ihr mir meinen Tisch nicht zuschanden macht. Ich lasse erfrischenden Wein und Becher holen.«
    Ohne Murren und Widerspruch gehorchten meine Vollstrecker diesen Befehlen, als wäre die Wirtin ihr Hauptmann. Sie setzten sich um den Tisch und tranken. Und als der lange Hagere nach zwei oder drei Humpen vorschlug, das Gelage aufzuheben und mich in dem Gäßchen hinter der Herberge niederzumachen, protestierte die Wirtin entschieden: sie könnten doch nicht gehen, ohne gespeist zu haben, die Mädchen würden sogleich Schinken und Bigorrer Würstchen auftragen, kalten Braten mit Senf und Wildbachforellen und auch noch Weine, die freilich hinterhältig gemischt waren, und während meine Männer das alles in sich hineintranken und hineinschlangen, befahl ich Miroul, seine Gitarre zu holen, und hieß die Männer, mir den ersten Vers eines beliebigen Psalms zu sagen, worauf ich ihnen, von Miroul begleitet, den ganzen Psalm vorsang. Doch es war vergebliche Mühe.
    »Nun, was ist eure Meinung?« fragte ich, als ich geendet hatte. »Bin ich Papist oder Hugenotte?«
    »Tja, unsere Psalmen singt Ihr freilich vorzüglich«, sagteJean Vigier. »Aber François Pavée hat uns gewarnt, daß Ihr geschickt den Hugenotten spielen könnt. Trotzdem tragt Ihr eine goldene Marienmedaille. Leugnet Ihr das?«
    »Nein.«
    »Also seid Ihr ein Götzenanbeter.«
    Da schauten mich denn alle so voll Schauder an, als hätten sie mich beim Anbeten des Goldenen Kalbes ertappt. Oje! war mein Gedanke, indessen mir der Schweiß über den Rücken lief, diesmal bin ich verloren! Mit Gewalt und Schrecken wird der Glauben verteidigt! Die Götzenanbeter sind Fanatiker, die Nicht-Anbeter ebenso. Montluc hat einen Mann köpfen lassen, weil er ein Kruzifix zerbrach. Die hier werden mich töten, weil ich eine Medaille trage.
    »Freunde, dieses Marienbild hat mir meine Mutter auf ihrem Sterbebett geschenkt. Ich trage es, weil ich meine Mutter verehre, nicht weil ich Maria vergöttere. In Wahrheit bete ich zu Gott wie ihr, ohne mich der Vermittlung Marias oder der Heiligen zu bedienen.«
    »Freilich«, meinte Jean Vigier, »Ihr wißt Eure Zunge in der Tat zu gebrauchen und führt schöne Reden. Aber sagt Ihr denn auch die Wahrheit? Wer soll das bezeugen?« fragte er mit einem Rülpser, der einen Kamin ausgefegt hätte.
    »Der Moussu ist nicht aus Nîmes«, sagte lallend der hagere Lange, dem der Wein gehörig in den Kopf gestiegen war. »Er kommt aus Montpellier. Und wer von fern kommt, hat gut lügen!«
    »Aber ich lüge nicht!« rief ich verzweifelt. »Ich bin ein braver, ehrlicher, loyaler Hugenotte, wie es schwarz auf weiß im Schreiben von Monsieur de Chambrun an Hauptmann Bouillargues steht. Wollt ihr mich meucheln, nur weil ihr nicht lesen könnt? Und überhaupt, wieso könnt ihr denn nicht lesen? Ich habe immer sagen hören, daß die Handwerker und die Bauern, die zu unserem reformierten Glauben übertreten, eilends die Buchstaben erlernen, um dann die Heilige Schrift zu lesen.«
    Bei diesem Vorwurf senkten sie die Köpfe und starrten beschämt in die Becher. Ein kleiner dicker Glatzkopf gestand mit Tränen in den Augen (gewiß nur, weil er zuviel des Weins genossen):
    »Moussu, wir haben uns erst jüngst zur wahren Religion bekehrt, und uns ist eingeschärft, lesen zu lernen, damit wir dieheiligen Texte verstehen können. Wie aber soll ich, der ich fünfzehn Stunden täglich am Webstuhl

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