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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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sitze und mit dem bißchen, das ich verdiene, fünf Münder zu ernähren habe, am Abend noch die Kraft aufbringen, mit meinem Kopf zu arbeiten? Sosehr ich mich bemühe, sind meine Fortschritte gering.«
    »Ich nehm’s euch doch nicht krumm, daß keiner von euch lesen kann. Aber dann fragt doch Monsieur de Chambrun: er kann euch sagen, wie es um meinen Glauben steht.«
    »Weiß Gott, das wär eine Idee!« meinte der kleine Dicke. Er erhob sich, sackte aber gleich wieder auf den Schemel zurück. Die Beine versagten ihm.
    »Ah, nein, ich lasse mich nicht abbringen«, beharrte Jean Vigier rülpsend, die Nase im Becher. »Da ist Verräterei im Spiel: der Moussu trägt das Götzenbild um den Hals.«
    »Der Wein ist nicht schlecht, zumal bei der Hitze«, sagte der hagere Lange. »Doch meinen Befehl vergesse ich darüber nicht. Moussu, habt Geduld. Einen Moment noch, dann servieren wir Euch ab.«
    »Was denn! Ohne Monsieur de Chambrun zu fragen?« rief der kleine Rundliche. Wieder wollte er sich erheben, wieder sackte er hin.
    »Ach was! Was schert’s uns, ob der Moussu Papist ist oder Hugenotte?« sagte ein dunkler Großer neben ihm. »Töten wir ihn, dann möge der Herrgott im Himmel entscheiden. Miroul, ich will ein Loblied auf meinen Beruf als Weber singen, denn ich bin Weber wie der Dicke da. Könntest du mich begleiten?«
    »Gemach!« sprach Miroul. »Wirst du mich umbringen wie meinen Herrn?«
    »Aber ja.«
    »Mit oder ohne Götzenbild?« fragte Miroul, dabei sein braunes Auge heiter dreinblickte, das blaue indes kalt blieb.
    »Mit oder ohne.«
    »Dann bin ich zu Diensten. Singe, Weber!«
    Auf ein Zeichen Mirouls setzte ich mich nahe der Saaltür neben ihn, recht beruhigt bei dem Gedanken, noch mit Degen und Kurzschwert bewaffnet zu sein, ebenso Miroul; unsere Vollstrecker hatten nicht daran gedacht, uns zu entwaffnen, vielleicht weil sie zu sehr auf ihre große Überzahl bauten. Und gewiß hätte ich, zusammen mit Miroul, mehr als nur einen übel zurichten und töten können. Doch mir widerstrebte es, das Blutdieser braven Leute zu vergießen, wie sehr sie die Glaubensgebote auch mißverstehen mochten.
    Der Weber unterdessen sang ein Lied, in dem nicht nur vom Weben die Rede war und das die Serviermädchen erröten machte. Nach dem Weber brachte ein Wollkämmer sein Lied zu Gehör, dann ein Flickschuster seins, dann ein Seidenarbeiter.
    »Bei allen Teufeln!« sagte der lange hagere Flickschuster, der das Lied seiner Innung nicht hatte darbringen wollen, »ich halte es für schlimme Sünde, hier zu saufen und sich den Wanst vollzuschlagen und solche Schweinigeleien zu singen, obwohl wir noch nicht einmal das Versteck des beschissenen Bischofs ausfindig gemacht haben. (Bei diesen Worten horchte die Wirtin auf.) Freunde«, rief er und haute mit der Faust auf den Tisch, »laßt uns endlich unsere Pflicht erfüllen, die wir vor Gott haben.«
    Bei diesen Worten ahnte ich Schlimmes, weil der Mensch, ob er nun Papist ist oder Hugenotte, die Gottesgebote falsch zu deuten pflegt.
    »Freunde!« fuhr der Flickschuster fort, »laßt uns jetzt den Moussu niedermachen! Zu lange schon haben wir gesäumt.«
    »Recht hat er«, sagte Jean Vigier. »Da ist Verrat im Spiel. Der Moussu trägt ein Götzenbild am Hals.«
    »Also machen wir ihn nieder«, sagte der Flickschuster und zückte seinen Dolch, doch ohne sich zu erheben.
    »Was denn!« rief die Wirtin wie eine Furie, »hier im Saal wollt ihr ihn umbringen? Blut vergießen auf meinen Fliesen, die ich so sauber gescheuert habe?«
    »Das stimmt«, sagte der Flickschuster und starrte mit trübem Blick auf seinen Dolch.
    »Schuster, die Wirtin hat recht«, sagte ich, »gehen wir raus alle drei, damit wir ihr nicht den Fußboden verderben.«
    »Alle drei?« fragte der Flickschuster.
    »Hast du nicht den Befehl, auch den Diener zu töten?« sagte Miroul. »Mit oder ohne Götzenbild?«
    »Aber ja.«
    »Also gehen wir«, sagte ich, um die Sache zu Ende zu bringen.
    Der Flickschuster erhob sich mühselig auf die Beine.
    »Moussu«, sagte er, »das ist lieb von Euch, daß Ihr Euch sowiderspruchslos umbringen laßt. Ich bin auch kein Unmensch, ich erledige das ganz schnell.«
    Er tat ein paar Schritte zur Tür und wäre lang hingefallen, wenn wir ihn nicht gestützt hätten. Einige seiner Kumpane machten Anstalten, ihm zu folgen, ist doch der Tod eines Menschen dem Menschen ein weidliches Schauspiel. Aber unseren wackeren Soldaten waren die Beine gar schwer, und weil die Serviermädchen

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