In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
fünfhundert Livres, und ich bin aus Montpellierangereist, sie einzufordern. Aber dem Anschein nach komme ich wohl zu spät. Da ich Euch hier den Besitz von Monsieur de Montcalm einsammeln sehe, muß ich vermuten, daß er tot ist und Ihr alle hier seine Erben seid.«
»Er ist nicht tot. Geflohen ist er«, rief einer der Diebe.
»Schweig, Vidal!« schrie der Rotfuchs und fuhr, an mich gewandt, grimmig fort: »Von deiner Geschichte glaube ich dir kein Wort. Dein Lügengesicht ist mir heute schon irgendwo begegnet, ich halte dich für einen Spion der Papisten, der unsere Geheimnisse auskundschaften will!«
»Monsieur«, rief ich zornrot und stemmte den Arm in die Hüfte, »wenn Ihr gütigst Eure Pistole einstecken und statt dessen den Degen ziehen wollt, werde ich Euch diese dreckigen Anschuldigungen ins Maul zurückstopfen! Ich bin reformierten Glaubens und diene ihm besser als Ihr! Denn wenn ich recht sehe, geht es hier weniger um den Glauben als ums Plündern!«
»Frecher Halunke!« schrie der Mann, tat einen Schritt und hielt mir die Pistole vor die Brust. Mit der anderen Hand riß er mir das Wams auf, das ich wegen der Schwüle nicht zugeknöpft hatte, und da sah er die Marienmedaille, die meine Mutter mir auf ihrem Totenbett geschenkt hatte. Außer sich vor Wut, brüllte er:
»Du Verräter wagst es, dich als Hugenotte auszugeben! Mit einem Götzenbild am Hals! Papist bist du, Schurke, und schlimmer noch ein papistischer Spion! Daß du uns hier ausspionierst, soll dir die Hölle einbringen!«
Weiter kam er nicht, Miroul hatte ihm die Pistole aus der Hand geschlagen, stellte dem Koloß ein Bein, warf ihn zu Boden, hockte sich ihm auf die Brust und setzte ihm den Dolch an die Gurgel. Ein herrlicher Anblick, wie schnell der schmächtige David diesen Goliath am Boden hatte.
»Moussu, soll ich ihn niedermachen?« fragte Miroul.
»Nein«, sagte ich.
Ich zog meinen Degen, nahm die Pistole des Angreifers auf, zielte auf ihn mit der einen Hand und richtete mit der anderen den Degen auf die Plünderer, die uns die Stirn boten.
»Meine Herrn«, sagte ich laut und klar, dabei ich sie fest ins Auge faßte, »ich habe die Wahrheit gesagt, ich bin Hugenotte. Nur meiner verstorbenen Mutter zuliebe, die eine Papistin war, trage ich diese Medaille. Wer dies bezweifelt, möge mich zueinem Geistlichen unseres Kultes begleiten, damit ich dort über die Grundsätze meines Glaubens befragt werde.«
Mein Ton, meine entschiedene Rede, meine schwarze Kleidung und das Anerbieten, mich prüfen zu lassen, taten sichtlich Wirkung, machten sie wankend.
»O ja, man sollte ihn zu Monsieur de Chambrun führen, wie sonst ließe sich entscheiden?« sagte jener Vidal.
»Ja, aber wer führt ihn hin?« fragte ein anderer.
Sie musterten einander schweigend, offenbar wollte keiner seines Beuteanteils verlustig gehen.
»Monsieur«, sagte schließlich Vidal, »wenn Euer Diener François Pavée freigibt, lassen wir Euch unbehelligt ziehen.«
»Habe ich Euer Wort?« fragte ich. Mochte ich auch wenig Vertrauen in das Wort eines Plünderers haben, mußte ich dennoch darauf eingehen.
»Ihr habt unser Wort«, sagte Vidal. »Geht jetzt, Monsieur.«
»Nicht bevor Euer Anführer seine Beleidigung zurücknimmt«, rief ich laut, indessen François Pavée abermals die Spitze von Mirouls Dolch an der Kehle spürte.
»Ich nehme sie zurück«, sprach François Pavée mit erstickter Stimme, dabei der Haß ihm das Gesicht verzerrte.
»Meine Herrn, das mag genügen. Stellt Eure Waffen gegen die Wand, bis in mich zurückgezogen habe.«
Sie gehorchte, ich feuerte Paveés Pistole gegen die Decke ab und warf sie ihm vor die Füße. Dann machte ich Miroul ein Zeichen und rannte, ungeachtet meines Ranges, wie ein aufgescheuchter Hase davon, quer über den Platz und Miroul neben mir her. Hinter uns knallten zwei Arkebusenschüsse, die uns jedoch verfehlten. Schon hinter der nächsten Ecke blieb ich stehen und steckte meinen Degen in die Scheide zurück, fest überzeugt, daß keiner der Strolche mich verfolgen würde: Bereicherung lag ihnen viel näher am Herzen.
Wenn ich Strolche sage, so ist das nur meine Art zu reden. Denn François Pavée war, wie ich später erfuhr, durchaus kein marodierender Landsknecht. Er gehörte zu den betuchten Bürgern der Stadt, hatte ein Haus, volle Truhen und guten Landbesitz in der Provence, dank welchem er sich Seigneur de Servas nannte. Doch obwohl Frömmelei, Grausamkeit und Habgier um seine Seele rangen, war er
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