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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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wieder die Becher füllten, besannen sie sich eines Besseren: sie hatten selten Gelegenheit, so viel zu essen und zu trinken, mußten den ganzen Tag für kargen Lohn arbeiten und konnten sich nur zu den Festtagen den Bauch füllen.
    Miroul ging mir kräftig zur Hand, den Flickschuster untergefaßt bis in den kleinen Innenhof zwischen Spülkammer und Küche zu schleppen, wo ihm nun gänzlich die Beine versagten und er stehenblieb. Da er dennoch mit seiner Waffe gewaltig fuchtelte, nahm Miroul sie ihm aus der Hand, damit er sich nicht verletze.
    »Moussu, wo ist mein Dolch?« fragte der Flickschuster, die Finger bewegend, und sah mich mit wirrem Blick an.
    »In deiner Hand.«
    »Ah ja, ich sehe ihn, kann ihn aber nicht fühlen.«
    »Weil deine Hand schwer ist und die Waffe leicht.«
    »Moussu, wie kommt es, daß du dich nicht wehrst, obwohl ich dich umbringe?«
    »Und wie kommt es, daß du mich umbringen willst?«
    »Ah, Moussu, ich bin ganz traurig, weil ich jetzt denke, daß Ihr vielleicht gar kein Papist seid.«
    »Warum tust du es dann?«
    »Weil Ihr von auswärts kommt. Und wer kann einem Menschen trauen, der nicht aus Nîmes ist?«
    »Recht hast du, Schuster, tu deine Pflicht und säume nicht, stoß mir den Dolch mitten ins Herz!« Ich packte seine leere Faust, versetzte mir einen Stoß gegen die Brust und rief: »Oje! ich bin auf den Tod getroffen!«
    Ich huschte hinter ihn und bedeutete Miroul, er solle gleichfalls sterben, was er bestens tat, dabei sein kastanienfarbenes Auge heiter aufblitzte. Ich gab dem Flickschuster einen sanften Stoß in den Rücken, er sackte auf die Knie, tastete mit den Händen über das Pflaster, als suchte er uns, und fragte brabbelnd:
    »Habe ich sie getötet?«
    Ich drehte mich um und sah auf der Schwelle der Küche den Koch stehen, der nie seine Mütze abnahm.
    »Freund«, sagte ich, weil ich annahm, daß er uns gern helfen würde, »bespritze ihn mit dem Blut eines Hühnchens, seine Waffe desgleichen. Und ersäufe sein Hirn in einem Becher Weingeist. Er möge zehn Stunden schlafen und träumen, er hätte uns umgebracht.« Dem Küchenjungen gab ich zwei Sols: »Sattle und zäume unsere Pferde und halte sie bereit.«
    Ich hütete mich, noch einmal in den Saal zu gehen, wo unsere Kämpen feierten und wieder ihre Lieder sangen. Statt dessen eilte ich hinauf zu Samson, den ich in ärgster Verzweiflung fand, hatte er doch von der Wirtin erfahren, wie es zu dem Gelage gekommen. Den Rest erzählte ich in kurzen Worten und befahl ihm wie auch Miroul, sich kriegsmäßig zu rüsten, mit Helm und Brustpanzer.
    »Wohin reiten wir?« fragte Samson. »Die Tore sind alle geschlossen.«
    »Wir suchen Hauptmann Bouillargues, übergeben ihm unsere Briefe und bitten ihn um Passierscheine.«
    »Aber es ist gefährlich für dich und Miroul, euch in den Straßen zu zeigen, wenn dieser Pavée euch geächtet hat.«
    »Gewiß, aber jetzt ist es Nacht. Und wenn wir kriegsmäßig gerüstet sind wie sie alle, fallen wir weniger auf als im Wams.«
    Es klopfte, ich öffnete einen Spalt breit die Tür und erkannte die Wirtin. Da ich in Samsons Gegenwart nicht mit ihr sprechen wollte, zog ich sie in mein Zimmer und schob den Riegel vor.
    »Ihr habt es gehört: sie haben den Bischof nicht gefangen!« sagte sie. »Aber was ist mit Monsieur de Montcalm?«
    »Er ist auf der Flucht.«
    »Der heiligen Muttergottes sei Dank!« sagte die Wirtin. »Aber wollt Ihr schon aufbrechen, mein edler Moussu? Hier lauft Ihr keine Gefahr mehr. Wir haben den Flickschuster in den Saal getragen, wo er behauptet hat, beide getötet zu haben. Nun schläft er wie ein Murmeltier. Wollt Ihr jetzt wirklich fort, Moussu?«
    »Meine Freundin«, sagte ich lächelnd, »ich bin untröstlich, Euch zu verlassen. Doch ich muß diesen Bouillargues finden und mir die Passierscheine beschaffen.«
    »Moussu, Ihr habt Zeit, die Nacht hat erst begonnen.«
    »Nun, Freundin, dann reden wir unterdessen von Euch. Wer mit Schafen umgeht, soll auch Wolle haben: fünf Dukaten als Entgelt für dieses Festmahl. Seid Ihr einverstanden?«
    »Moussu, Ihr müßt mir kein Geld geben!« sagte sie mit einem erwartungsvollen Blick.
    Und indes sie protestierte, wechselten die Dukaten klaglos aus meinem Beutel in den ihren. Auch ich hatte nicht Grund zu klagen, daß ich so viel Wein hatte fließen lassen, um nicht mein Blut fließen zu sehen. Doch nachdem mein fünfter Dukaten in ihren Beutel gewandert war und die Wirtin so vor mir stand mit Augen groß wie Monde und ich

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