In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
durchschnitten.«
Caudebec straffte den Oberkörper, wandte sich jäh dem Mönch zu.
»Nichtiger Streit? Monsieur de Siorac hat also gebeichtet?«
»Hab ich es nicht gesagt?« rief ich mit beleidigter Miene. »Bruder Hyacinthe, so erzählt denn, was Ihr wißt, nun Ihr schon halbwegs geantwortet habt.«
»Herr Baron, darf ich?« fragte Bruder Hyacinthe.
»In Herrgotts Namen, so sprich endlich!« schrie der Baron.
»Monsieur de Siorac hat gestern vor mir die Beichte abgelegt, in vollkommener Reue und tiefer Demut.«
Der brave Mönch, das Auge insgeheim auf Bruder Antoine gerichtet, um von dessen Niederlage nichts zu verpassen, brachte die Worte ganz sanft vor, verkostete sie so genüßlich auf der Zunge, wie er es mit den Kuchenstücken der Patota getan.
»Monsieur de Siorac, ich schulde Euch, des schlimmen Verdachts wegen, Worte der Entschuldigung«, sagte Caudebec, rot im Gesicht und zu Boden starrend.
Er schuldete sie mir, sprach sie aber noch nicht aus. Selbst bei Worten war dieser Caudebec ein Knauser.
»Mitnichten«, sagte ich großmütig. »Nichts schuldet Ihr mir, der Verdacht kam nicht von Euch.«
Das hieß ihn freisprechen und ihm zugleich andeuten, wen die Strafe treffen sollte. Und das Donnerwetter ging an der gebotenen Stelle nieder, harsch und vernichtend.
»Mönch!« rief er, Bruder Antoine zugewandt, »du reitest fortan am Ende der Kolonne, ganz allein, und denkst über deine Fehler nach! Bruder Hyacinthe aber, den du so schmähtest, reitet zu meiner Rechten und soll mein Beichtvater sein.«
Ein Mönch hat es bequem: er muß sich, anders als der Edelmann, unter solchen Schlägen nicht aufbäumen. Im Gegenteil, Demut ist für ihn eine Tugend, er darf sich darin einhüllen wie in einen Mantel.
»Herr Baron«, sprach Bruder Antoine, Haupt und Augen gesenkt zu ergebenem Gruß, »Euren Befehlen, wie auch immer sie lauten, werde ich untertänig und ehrerbietig folgen.«
Er stieß einen so tiefen Seufzer aus, als hätte man ihn ans Kreuz geschlagen, blickte dann zum Himmel auf, wie um ihn als Zeugen für dieses ungerechte Martyrium zu nehmen, grüßte den Baron ein zweites Mal, hielt sein Pferd an und machte kehrt. Ich wette: sobald er allein war und die Kapuze ihm das Gesicht verbarg, sprühten seine schwarzen Augen Flammen, ein Flammenmeer, über dem man mich lebendigen Leibes hätte braten können.
Ich überlegte nun, daß ich Caudebec seine Gedanken nicht fortspinnen lassen sollte, darum lenkte ich seine Besorgnisse in eine andere Richtung:
»Herr Baron, mein Vater hat mir stets eingeschärft, daß ein Trupp, dem unterwegs ein Angriff droht, umsichtig sein muß. Da gilt es, Reiter als Vorhut und auf beiden Flanken der Kolonne einzusetzen. Wenn Ihr es für gut befindet, zwei Eurer Soldaten auf diese Hänge auszusenden, einen rechts und einen links, könnten mein Bruder, mein Diener Miroul und ich die Vorhut übernehmen.«
»Himmel!« rief Caudebec, »das ist ein guter Gedanke! Für Euer jugendliches Alter habt Ihr einen reifen Verstand! Ei ja, und es verwundert mich nicht: tapferes Blut läßt sich nicht verleugnen. Diese Vorkehrungen hätte ich selbst treffen sollen! Holla, Fromont, reite über diesen Hügel da, und du, Honfleur, über jenen dort, und Augen auf! Monsieur de Siorac, soll ich statt Eurer kleinen Gruppe zwei Soldaten als Vorhut ausschicken?«
»Keinesfalls, sonst hättet Ihr nicht genügend Männer zu Eurem eigenen Schutz.«
»Vorhut ist aber eine gefährliche Aufgabe.«
»Hätte ich Euch, wenn es anders wäre, darum ersucht?« prahlte ich.
In Wahrheit wollte ich ihn nur ganz schnell allein lassen, denn ich spürte, er würde mir bald zürnen, daß ich seinen Beichtvater in Ungnade versetzt hatte.
»Aber darf ich unser Saumpferd in der Kolonne lassen und die Zügel Euerm Pagen anvertrauen? Es wäre uns hinderlich für den Fall, daß wir schnell herbeieilen müßten«, gab ich zu bedenken.
Er willigte ein. Erleichtert fand ich mich wieder mit Samson und Miroul auf der Straße nach Narbonne, den Pilgern eine Viertelmeile voraus. Miroul hätte sicher gern meinen Bericht vernommen, doch den mochte ich nicht darbieten vor Samson, der nicht im mindesten ahnte, daß ich tags zuvor gebeichtet hatte. Auch war es nicht der geeignete Moment zum Schwätzen, es galt wachsam zu sein, denn in der Tat waren wir in Gefahr, von einer großen Bande überrumpelt und vernichtet zu werden.
Miroul und Samson hieß ich, ihre Pistolen zu laden, den Degen zu ziehen und den Faustriemen um das
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