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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Plan?«
    »Das wissen wir nicht, Gottes Ratschlüsse sind unerforschlich.«
    »Ha, eine gute orthodoxe Erwiderung!« rief er lachend. »Und sehr tauglich, wie Euer Calvin sagt, die nüchternen undbraven Leute zu befriedigen. Indes beachtet nicht nur die Erwiderung an sich, sondern auch die kümmerliche Art Eurer Begründung: ohne deduzierte Schlüsse, ohne folgerichtige Argumente beendet Ihr kunstlos den Streit
ex abrupto
durch den neblichten Vorhang aus menschlichem Unwissen. Bei meiner Robe eines Bakkalaureus, da bedarf es ausführlicherer Worte, um zu sagen, daß man nichts weiß! Nach guter Regel hättet Ihr disputieren, Eure Rede in Syllogismen artikulieren, kraft Logik schlußfolgern müssen, gewappnet auch mit der Autorität der Altvorderen und mit schönen rundenden Zitaten! Teufel, so kurz schwätzen ist fernab aller gelehrten Erörterung!«
    Ich errötete ob dieser Zurechtweisung, und Fogacer fing herzlich an zu lachen. Er lümmelte seinen großen Körper auf eine Ziegelbank neben dem von einem kleinen Wetterdach überspannten Treppenabgang.
    »Siorac, setzt Euch her zu mir in den Schatten, die Sonne brennt schon merklich heiß«, sagte er, als er mich so träumerisch still und verdattert sah. »Ich wollte Euch nicht verletzen, sondern möchte Euch nur mal auf den Zahn fühlen, Eure Kenntnisse prüfen. Als Euer Sachwalter kann ich Euch ins Register der Medizinschule erst einschreiben lassen, wenn Ihr mir mit hinreichendem Wissen in Logik und Philosophie aufgewartet habt.«
    »Und wie beurteilt Ihr in diesen Dingen mein Können?« fragte ich, indessen ich mich mit hängendem Kopf neben ihn setzte.
    »Leidlich schlecht, wie sehr Ihr durch Euern Herrn Vater im Fach Medizin vorgebildet sein mögt. Gelten doch Logik und Philosophie als die beiden Zitzen, die uns die Milch des Wissens einspeisen, und nimmer werdet Ihr in den Rang der Gelehrten aufsteigen, noch nicht einmal in unser Kolleg eingeschrieben, wenn Ihr es nicht lernt, an diesen untauglichen Zitzen besser zu saugen.«
    »Untauglich? sagtet Ihr untauglich?« rief ich. »Ihr verachtet sie also?«
    » Medicus sum et in medicinam solam credo.
1 Und was die erwähnten Zitzen betrifft: ich halte sie für welk, leer, nichtig und scholastisch. Was aber nicht heißt, daß ich mich ihrer nichtmeisterlich bediene. Kein vorzüglicherer Disputator am königlichen Kolleg,
omnium consensu
1 , als Euer ergebener, jedoch keineswegs bescheidener Diener.« Mit einem Lächeln fügte er hinzu: »Aus Höflichkeit und Vorsicht lasse ich darin gleichwohl den königlichen Professoren den Vortritt.«
    Ich war sprachlos, als ich den Bakkalaureus Fogacer mit so kräftigen Zähnen jenen ehrbaren Busen beißen hörte, an dem er sich, ehe er die Medizin studierte, genährt hatte. Ist es jetzt so weit mit dieser Philosophie, sann ich, daß sie von denen, die sich in der Öffentlichkeit mit ihr schmücken, insgeheim geschmäht wird? Und bin ich selbst schon mitten in den Kulissen dieses Theaters der Perücken und Schminken?
    »Allerdings ist keine Gefahr im Verzug, sofern Ihr meinen Rat befolgt«, fuhr Fogacer fort. »Heute haben wir den 27sten Juni, und die Vorlesungen beginnen erst zu Sankt Lukas, also am 18ten Oktober: ich habe, wenn es Euch gefällt, hinreichend Zeit, Euerm Bruder und Euch Schliff zu geben in den genannten Stoffen.«
    Nicht umsonst war ich in strenger hugenottischer Sparsamkeit erzogen worden, weshalb ich denn beim Klimpern der großen und kleinen Münzen in dieser Rede hellhörig ward.
    »Fogacer«, beschied ich kalt, »Samson und ich, wir sind Zweitgeborene, unsere Börse ist schmächtig. Reden wir ganz offen. Was kostet es uns während der kommenden drei Monate, aus Euern Lehrstunden in Logik und Philosophie Gewinn zu ziehen?«
    »Ha, Hugenott!« rief Fogacer lachend, »sollte ich hier einen Knauser und Knicker vor mir haben? Und haltet Ihr mich für einen schamlosen Fuchser? Ihr irrt, Siorac, ich bin sehr bescheiden in meinen Preisen. Ich widme Euch beiden jeden zweiten Tag zwei Stunden von meiner Zeit, und es kostet Euch jedesmal zwei Sols, dazu noch zweimal die Woche ein gemeinsames Mahl mit Euerm Bruder und Euch in der Herberge
Zu den drei Königen
, wo Ihr acht Sols für den Schweinebraten zahlt, den ich mir dann genüßlich zuführe. Nun, was haltet Ihr davon? Weitaus mehr müßt Ihr für die Kurse aufbringen, die Doktor Saporta während des Sommers den neuen Schülern erteilt …«
    »Aber muß ich sie belegen, wenn sie so teuer sind? Werden sie mir

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