Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
Vom Netzwerk:
und spart nicht am Odermennig! Es geht um mein Eheweib, da will ich nicht knausern!«
    »Meister«, fragte ich, als das Schreien nachließ, »worauf gründet Ihr Eure Gewißheit, daß Eure Ehegemahlin Euch einen Sohn schenken wird?«
    Fogacer nutzte einen neuerlichen Klagelaut, der den Meister ablenkte, und flüsterte mir ins Ohr:
    »Bene, bene! Haec est vexata questio.«
1
    Aber die Frage brachte Meister Sanche nicht in Verlegenheit.
    »Da ist kein Zweifel, noch weniger ein Diskutieren. Bei Vollmond gebiert das Weib einen Knaben, bei Neumond ein Mädchen.«
    Nun aber wurden die Schreie der armen Rachel, trotz Odermennig und Vaterunser, von Minute zu Minute lauter. Meister Sanche drängte es, sich zu erheben und hinter den Vorhang zu treten, um der jungen Frau mit seinem segensreichen Wissen beizustehen.
    Da die Abendspeisung längst beendet war, hatten sich Luc, seine Schwester Typhème, Balsa, Miroul und mein lieber Samson schon zur Nachtruhe begeben. Am Tisch saßen nur noch Fogacer und ich, als Fontanette einen Krug brachte und uns Kräutertee eingoß.
    »Fontanette, der Meister wird dir zürnen!« flüsterte Fogacer. »Tee! Gar noch gezuckert! Und ohne zu fragen!«
    »Ich werde behaupten, ich hätte ihn bestellt«, sagte ich.
    »Tausend Dank, mein edler Moussu«, sagte Fontanette lächelnd mit einer kleinen Verbeugung.
    Sie drehte sich um die eigene Achse, dabei ihr weiter Rock rings um die Knöchel eine anmutige Korona beschrieb, und entschwand leichtfüßig in die Küche. Ihr hinterdrein mein Blick. Hierauf Fogacer sich mir entgegenneigte und leise sprach:
»Nec nimium vobis formosa ancilla ministret.«
2
    »Amen«, sagte ich, da ich nichts anderes zu erwidern wußte, die Nase in meinem Becher, aber sehr glücklich über diesenette Aufmerksamkeit von Fontanette. Bedächtig trank ich meinen Tee und verzehrte eine dicke Scheibe Brot dazu, denn nach diesem mageren Mahl hatte ich wahrlich Appetit, die Speisung von vorn zu beginnen.
    Fogacer wies mit langem Zeigefinger auf den Vorhang und flüsterte:
    »Der Mann hat seine kleinen Schrullen, trotzdem ist er ein braver Mensch. Nun aber leert flugs Euern Becher, damit er nicht das arme Mädchen schilt.«
    Gerade hatte ich ausgetrunken, da tat sich der Vorhang auf, Meister Sanche pflanzte sich vor uns hin und verkündete mit triumphierender Miene:
    »Bald ist es soweit. Ich habe den Haarschopf des kleinen Burschen schon gesehen!«
    Und kaum war es gesagt, stieß die Gebärende so gewaltige Schreie aus, daß selbst einem Tauben die Ohren aufgegangen wären. Dann folgte jäh Stille, die uns verdutzt machte. Wieder hob sich der Vorhang, und eine Gevatterin kam hervor, mit hängendem Kopf und bekümmerter Miene.
    »Meister Sanche«, sprach sie, »Eure Frau Gemahlin bittet demütigst um Vergebung: es ist ein Mädchen.«
    »Was!« rief Fogacer empört. »Ein Mädchen! Bei Vollmond!«
    »Da hat wohl ein von Gott gesandter anderer Planet seine Strahlen in die des vollen Mondes gemengt und seine Wirkungen verfälscht«, sagte Meister Sanche und zuckte mit keiner Wimper. Würdevoll die Hand hebend, fügte er hinzu:
»Astra regunt homines, sed regit astra Deus.«
1

VIERTES KAPITEL
     
    War das ein schönes Erwachen, als am nächsten Morgen Fontanette in mein Zimmer trat und den Laden aus Eichenholz aufzog, der von innen mein Fenster verschloß. Letzteres hatte, wie in der Herberge
Zu den zwei Engeln
, eine Bespannung aus ölgetränktem Papier, für Blicke undurchlässig, nicht aber für die warmen Sonnenstrahlen des Languedoc.
    »Beim heiligen Antonius, Fontanette, wie bist du hier hereingekommen?« fragte ich, mir mit den Fingern die Haare kämmend. »Ich hatte doch den Riegel vorgeschoben.«
    »Durch diese Tür da, die in meine Kammer führt.«
    »Fontanette, du bringst mich auf Gedanken!« rief ich.
    Sie setzte ernste Miene auf wie eine Äbtissin zur Fastenzeit und kam mir mit einem ganzen Sermon.
    »Moussu, wenn Ihr im Sinn habt, was ich vermute, solltet Ihr lieber davon abgehen. Ich bin nicht Herbergsmagd, die vor jedem Gast die Beine breit macht, ich bin Kammermädchen in einem ehrbaren christlichen Hause. Die Tür, durch die ich kam, ist auf meiner Seite verriegelt. Im übrigen«, hier senkte sie die Lider, »ich bin Jungfrau.«
    »Also gleich zweimal verriegelt, braves Mädchen«, sagte ich lächelnd. »Aber ist dir der Zustand nicht zuwider? Und möchtest du, wie eine Nonne, ewig dabei bleiben?«
    »Weiß ich nicht, Moussu, ich habe mich noch nicht entschieden.«
    Ihre

Weitere Kostenlose Bücher