In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
vielsagendem Lächeln. »Der Vater trägt den Papistenmantel. Und der Sohn den Mantel Calvins. Und so deckt einer den andern. Was sehr klug ist in diesen ungewissen Zeiten. Siorac, nehmt Euch ein Beispiel daran. Gebt Euch in der Stadt nicht zu offen als reformiert zu erkennen. Die Euern sind zahlreich in Montpellier, gewiß, aber vergeßt nicht: der König und seine Mutter sind Papisten, am Ende muß man wollen, was sie wollen, und sei es gezwungenermaßen.«
Er lachte so, als wäre dies alles nur eine belanglose Komödie. Geschmeidig wie ein Windhund schnellte er hoch und sprach:
»Ich mach mich aus dem Staube, Siorac. Die Sonne steht schon hoch. Rondelet, der allernächst nach Toulouse reitet, hat mir seine Kranken anbefohlen.«
»Aber Ihr habt mir nichts über Fontanette gesagt.«
»Ha, das interessiert Euch! Darüber werden wir noch reden«, rief er über die Schulter hin, indessen er die Treppe fröhlich abwärts eilte.
Und wen sah ich unten am Fuße der Treppe, nachdem Fogacer enteilt war? Fontanette, die mir schöne Augen machte.
»Fontanette, ist mein Bruder schon auf?« fragte ich.
»Nein, Moussu, er schläft wie ein Ratz. Ich habe laut an seine Tür geklopft, doch er hat nicht geantwortet.«
»Das will mir gar nicht gefallen«, sagte ich und wandte mich ab. Ohne anzuklopfen, trat ich in meines Samsons Zimmer.
Da lag er, seitlich ausgestreckt, hatte der Hitze wegen das Laken von sich geschoben und lag nackt da in seiner Natürlichkeit, sehr schön und muskulös, die Haut weiß wie Schnee, die rosige Wange auf die Hand gelegt, die Augen geschlossen und zudem verhangen von seinen kupferfarbenen Locken, die sich artig um das Ohr kringelten. Dieser Anblick nahm mir sofort den Zorn, ich legte ihm beide Hände auf die Schulter, rief ganz laut seinen Namen, rüttelte und schüttelte ihn so heftig, daß er seine Sinne endlich wiederfand.
»Mein Herr Bruder«, sagte ich mit gespielter Strenge, doch schon wieder besänftigt, »seid Ihr nach Montpellier gekommen, um im Bett zu lungern? Die Sonne ist dem Mittag nahe, und Ihr faulenzt hier!«
»Mein lieber Pierre, nimm es mir bitte nicht übel«, sagte er mit kläglicher Stimme, dabei er sich erhob und mir hundert Küsse verabreichte, »ich habe die Nacht kein Auge zugetan, und nun, kaum erwacht, leide ich die zehntausend Flammen der Hölle, so sehr bekümmert mich der große Entschluß, den ich gefaßt habe.«
»Ein Entschluß?« fragte ich. »Was hast du beschlossen?«
»Daß ich Dame Gertrude bei ihrem Aufenthalt in Montpellier nicht sehen will, auch nicht bei ihrer Rückkehr aus Rom.«
»Warum nicht?«
»Weil Beischlaf außerhalb der Ehe eine verdammenswerte Todsünde ist.«
»Bei allen Himmeln, wer hat mir diesen verliebten Dummkopf zum Bruder gegeben!« rief ich. »Bindet Euch etwa ein Gelübde? Seid Ihr Nonne? Seid Ihr Mönch? Seid Ihr Eremit? Oder ein Eunuch im Harem? Wollt Ihr im Essig der Keuschheit hinsauern bis zur Heirat? Heiliger Antonius! seid Ihr wirklich so vermessen, daß Ihr tugendsamer sein wollt als Euer Vater?«
»Ich tugendsamer als mein Herr Vater?« sprach er, ganz rot im Gesicht und die Hand vor der Brust. »Das soll mein Gedanke gewesen sein?«
»Na offenbar, zumal Ihr nicht vergessen haben könnt, daß Euer Vater Euch außerhalb der Ehe gezeugt hat, welche Sünde ich nicht genug preisen kann, da sie mir einen Bruder beschert hat, den ich inniger liebe als meinen rechtmäßigen Bruder.«
»O mein Pierre, ich liebe dich gleichfalls, von ganzem Herzen!« rief er und warf sich mir in die Arme.
»Doch ich schwanke noch, ob ich meiner Liebe nicht abschwören soll: Ihr riecht mir zu sehr nach Ketzer«, sagte ich und stieß ihn sanft von mir.
»Ich?« rief er, so entsetzt, daß ich Skrupel hatte, weiter mein Spiel mit seiner Herzenseinfalt zu treiben, mochte dies auch in seinem Interesse geschehen.
»Bildet Euch nicht ein, Samson, daß Ihr, wenn Ihr die Dame Gertrude Euren mönchischen Gedanken opfert,
Euer Heil durch die Werke gewinnt
, was, wie Ihr wißt, ganz wider die heilige Lehre Calvins ist.«
Bei dieser hohlen Sophisterei schaute er verlegen drein und wußte nicht, was er sagen und denken sollte.
»Aber macht weiter so, Ihr seid auf so gutem Weg!« sagteich und fühlte, daß er schwach wurde. »Fügt der Ketzerei noch die Grausamkeit hinzu! Laßt diese edle Dame barbarisch leiden und schlagt Euch selbst tiefe Wunden, auch wenn keine lebende Seele davon Nutzen hat. Wen eigentlich hintergeht Ihr, wenn Ihr sie liebt? Sie
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