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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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überhaupt nutzen?«
    »Ahnungsloses Bürschchen, die müßt Ihr belegen, auch wenn sie Euch nicht nutzen. Saporta ist – neben Rondelet, Feynes und Salomon (genannt d’Assas) – einer der vier königlichen Professoren, und sollte Rondelet, der alt ist und leidend, das Zeitliche segnen, wird Saporta zum Kanzler gewählt. Wollt Ihr da noch die Privatkurse Eures Kanzlers schmähen?«
    »Und die meines Prokurators?« sagte ich lachend. »Topp, es gilt, Fogacer! Von heute an bin ich Euer Schüler in Logik und Philosophie. Und wie schal diese Nahrung auch sein mag, ich werde sie wie ein hungriger Wolf verschlingen.«
    »Das ist ein Wort!« sagte Fogacer, zufrieden mit sich und mit mir. »Euer herzhafter Appetit behagt mir. Gleich morgen beginnen wir.«
    Er musterte mich eine Weile, und ich musterte ihn. Sein strähniges schwarzes Haar war über der Stirn sehr schütter; das machte ihn älter (dabei war er erst zwanzig, wie ich bald erfuhr). Das Auge unter der teuflischen Braue war haselnußfarben, stechend, überaus glänzend, und die krumme Nase gleichsam ein Adlerschnabel, schmal und lang, mit beinahe schneidend scharfem Rücken. Das Ganze hätte streng gewirkt ohne den großen Mund mit den fleischigen roten Lippen, die sich bisweilen zu einem gewundenen Lächeln verzogen, sonderlich wenn er sich in Paradox, Spöttelei, anzüglicher Rede und verdeckter Lästerung hervortat, was allerdings nur im Privaten geschah, fern den empfindlichen Ohren der Notabeln; in der Öffentlichkeit hütete er seine Worte wie der Schäfer seine Lämmer, er hielt die räudigen verborgen und ließ nur die makellos weißen hervor.
    »Also, Monsieur«, sagte er schließlich mit gespielt ernster Miene, »Ihr seid dem Rock hinterher.«
    »Ich bin ihm hinterher«, beschied ich im gleichen Ton.
    »Und wie schnell der Rock auch läuft, Ihr kriegt ihn zu fassen. Denn Euer Haar ist blond, das Auge blau, frisch der Teint, die Hüfte schmal, die Statur kräftig.«
    »Allerdings bin ich nicht so schön wie mein Bruder.«
    »Das stimmt. Er aber ist ein stummer Bruder, hingegen Ihr eine geschliffene Zunge habt. Und überhaupt, Ihr seid so lebhaft, munter keck und wenig flink, wie es jungen Mädchen gefällt.«
    »Monsieur, ich beklage mich nicht.«
    Fogacer hielt inne und sagte dann gemessen ernst:
    »Siorac, eine Warnung, die ich Euch zu beherzigen bitte: Dieses Haus beherbergt zwei junge Mädchen unterschiedlichen Standes, und Ihr dürft, aus verschiedenen Gründen, keine von beiden anfassen. Die eine, Typhème, ist Doktor Saporta versprochen, der ein sehr braver Mann ist, doppelt so alt zwar, aber Marane wie Meister Sanche.«
    »Marane?« fragte ich.
    »Wie! Euer Herr Vater bringt Euch bei Meister Sanche unter und hat Euch darüber nicht aufgeklärt?«
    »Hat er nicht.«
    »Die Maranen sind spanische Juden – doch es gibt auch Portugiesen unter ihnen –, die durch grausame Verfolgung gewaltsam bekehrt, dann durch die schändliche Intoleranz der Priester aus ihrem Land getrieben wurden. Unser König Ludwig XI. gewährte ihnen im Languedoc Aufnahme, was ein sehr kluger Entschluß war, denn die Maranen brachten die jüdische und die arabische Medizin zu uns, ohne die unser Kolleg heute nicht wäre, was es ist.«
    »Aber Meister Sanche ist Katholik, wie er selbst sagt.«
    »Gezwungenermaßen, so wie ich auch: aus kluger Vorsicht, nach außen und dem Namen nach.«
    Das gab mir arg zu denken, doch ich wollte diesen gefährlichen Weg lieber nicht weitergehen, sondern fragte:
    »Ist Typhème dem Doktor Saporta versprochen, weil Saporta Marane ist?«
    »Dies ist einer der Gründe; der zweite Grund: Meister Sanche ist sehr betucht, und Saporta ist noch reicher. Er besitzt Land und Weinäcker in der Umgebung und in Montpellier etliche Häuser; vor allem unterhält er in der Rue du Bras-de-Fer – sie ist so abschüssig steil, daß man sie
la devalada
(Talsturz) nennt – mit allen Besitz- und Nutzungsrechten ein großes, viel Gewinn abwerfendes Ballspielhaus, das Ihr klüglich mit Euerm Besuch beehren solltet.«
    »Aber ich habe nie einen Ball oder Schläger angefaßt.«
    »Macht nichts. Das bringe ich Euch bei.«
    Alle Wetter! dachte ich, so sind die Stadtmenschen! Alle langen nach deinem Geld.
    »Aber enthebt mich noch eines Zweifels, Fogacer«, bat ich. »Meister Sanche ist Katholik, sein Sohn Luc ein Reformierter.Vater und Sohn sind also Ketzer einer für den andern. Wie geht das?«
    »Es ist schlicht eine Frage der Einkleidung«, sagte Fogacer mit

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