In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
seltsam ist ein Glaube, der nicht glaubt, was zu glauben er vorgibt. Allerdings bitte ich Euch, sehr achtsam zu sein. Die papistischen Eiferer sind gefährliche Leute. Mein Sohn, bedenkt es gut: ob als Jude oder als Reformierter verbrannt, es ist das gleiche Feuer und der gleiche Tod.‹«
Eingedenk daß ich meinen lieben Samson noch sehen wollte, ehe er sich zu Dame Gertrude begäbe, verabschiedete ich mich von Luc in großer Eile, nicht ohne ihn zu umarmen und meiner Freundschaft zu versichern. Denn ich war nicht im Zweifel,daß er in seiner Schwäche Schutz bei mir suchte, wenn er mit mir in das Medizinkolleg einträte, wo die Schüler mit allen Neulingen brutale Scherze zu treiben pflegten.
Ich traf Samson ohne Wams an, seine kupferfarbenen Locken ganz wirr, die azurblauben Augen träumerisch vernebelt. Er saß auf einem Schemel und schaute finster drein, das Gesicht von Sorgen arg gefurcht.
»Mein Herr Bruder, warum seid Ihr nicht angekleidet?« fragte ich. »Habt Ihr Euer Treffen mit Dame Gertrude vergessen?«
»Keineswegs, aber ich geh nicht hin«, sagte er. »Jedes Weib ist trügerisch und der Seele Verderbnis. Ein schlechter Händler, wer sein ewiges Heil gegen so kurze Freuden eintauscht.«
Diese dummen Worte ärgerten mich sehr, doch weil ich merkte, daß Samson sich beim Gottesdienstbesuch wider meine Argumente gewappnet hatte, hütete ich mich, meinem Zorn freie Bahn zu geben; ich sagte nur:
»Gut so. Geht nicht, wenn Ihr es so entschieden habt.«
Ich zog mich auf mein Zimmer zurück, in das er mir, ganz wie ich es erwartet, bald folgte. Als er eintrat, kämmte ich mich gerade vor einem Spiegelscherben und wandte mich nicht um.
»Wie denn! Ihr scheltet mich nicht?« fragte er nach langem Schweigen.
Ich hätte ihn am liebsten umarmt, so sehr rührte mich einmal mehr seine engelhafte Einfalt.
»Euch schelten?« fragte ich über die Schulter. »Warum?«
»Gebt Ihr mir etwa recht?«
»Aber ja! Von Herzen! Dame Gertrude du Luc bietet dem Auge einen himmlischen Anblick, so schön und rein, daß selbst der Teufel ihn nicht zu zerstören wagte. Ihre Stimme, ihre Augen, ihr Haar, ihre fraulichen Formen – alles so sanft und so zart! In ihrem kleinen Finger ist mehr Güte als in der längsten Predigt eines Papisten. Kurzum, eine Blume von Weib! Darum preise ich Euch, daß Ihr die Blütenblätter eins um das andere ausreißt, sie auf die Erde werft und zertrampelt.«
»Ihr spottet!« sagte er mit gequälter Stimme. »Ihr spottet! Dabei geht es um mein Seelenheil!«
»Ha! Euer Seelenheil!« Ich beobachtete ihn im Spiegel, sah ihn bleich und verstört. »Also geht es um Euch! Die Eigenliebe steht Euch näher als das Leiden Eurer Dame.«
Dies brachte ihn vollends aus der Fassung, er irrte seufzend im Zimmer hin und her.
»Ach, ich sehe, Ihr pflichtet mir nicht bei«, sagte er.
»Teufel nochmal, da täuscht Ihr Euch! Ich bin bei dieser großen Mordtat ganz auf Eurer Seite. Ihr habt Euch an ihr gütlich getan, und nun erdrosselt Ihr sie. Bringt sie um, bei Gott! Bringt sie um!«
»Was tätet Ihr an meiner Stelle?«
»Bin ich ein Henker, daß ich mich an Eure Stelle setzte?«
»Gebt mir guten Rat.«
»Soll ich einem Maulesel raten?«
»Mein Bruder, spottet nicht!« sagte er so trotzig ungebärdig, wie ich ihn noch nie erlebt. »Ich bin nicht Henker und nicht Maulesel, ein Christ bin ich, der an sein Heil denkt …«
»Das tue ich auch. Aber ich bin nicht so vermessen, dem Urteil meines höchsten Richters vorzugreifen. Wenn es dem Herrgott gefällt, mich um der Liebe zu meiner Schönen willen in die Flammen zu werfen, nehme ich die Hölle ohne Zittern auf mich. Ich bin keine Memme.«
Bei dem Wort »Memme« machte er beleidigte Miene, wußte aber keine Erwiderung, starrte mich herzzerreißend an, indessen ich mein Wams zuknöpfte.
»Wohin geht Ihr?« fragte er verwundert.
»Mich Dame Gertrude du Luc vor die Füße zu werfen und sie um Vergebung zu bitten für Eure schandbare Grausamkeit. Versichern will ich ihr, daß ich sie wie ein Bruder liebe, jedoch auch bereit wäre, sie in anderer Weise zu lieben.«
»Was! Das brächtet Ihr fertig?« rief er wie von Sinnen.
»Aber gewiß! Wenn der unwissende Wilde die Perle, die er in einer Auster findet, verschmäht und in den Staub wirft, wer sollte mich hindern, sie aufzulesen?«
»Mein Bruder, Ihr brecht mir das Herz!« schrie er auf.
»Jenes Herz, das Ihr nicht habt!« entgegnete ich, lauter werdend. »O mein Bruder, wie könnt Ihr es ertragen,
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