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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Ich, als ich im Mondlicht den Glockenturm von Saint-Firmin gleißen sah, der mich an das Nadelhaus erinnerte und an die Thomassine, die jetzt hinter ihren roten Bettvorhängen beschäftigt war. Was mir wenig behagte, zumal es mit einem Papisten geschah.
    Ich begab mich zu meiner Matte, streckte mich darauf aus, verschränkte die Hände im Nacken; und noch befördert von Gedanken an den Tod des armen Rondelet wie auch an meine Einsamkeit, entsann ich mich plötzlich der kleinen Hélix, der ich in so liebevoller Freundschaft zugetan gewesen. Allmählich angesteckt von dem so flammenden, naiven Gefühl, das sie zu Lebzeiten für mich gehegt, empfand ich für sie eine sinnlose bittere Liebe, die hienieden nimmermehr Erfüllung finden konnte.
    »Beim heiligen Antonius!« rief ich laut und richtete mich empor, »ich will nichts mehr wissen von solcher Melancholie! Sie ist die Mutter aller körperlichen Leiden, und jeder gute Arzt muß mit der Heilung bei sich selbst beginnen!«
    Ich stand auf und spazierte auf der Terrasse hin und her, warf den Kopf zurück, ballte die Fäuste, stemmte sie in die Hüften, wie ich es von meinem Vater kannte. Das tat mir gut, doch viel besser noch fühlte ich mich, als plötzlich in der Tür Fontanette auftauchte, barfuß, im Hemd, das Haar über den nackten Schultern gelöst.
    »Ha, mein edler Moussu!« sagte sie erregt, jedoch nicht meines Aufzuges wegen, der ihr nicht fremd war. »Sonderbar, Euer Betragen! Welch Gepolter in Euerm Zimmer und über meinem Kopf! Seid Ihr mondsüchtig, daß Ihr nackt hier herumlauft und nicht anders als ein Wilder Arabiens Euer Lager unterm Mond aufschlagt, ohne Dach überm Kopf, der Ansteckung durch die Luft und der Pestilenz der Nacht ausgesetzt? Ihr holt Euch den Tod!«
    »Ha, Fontanette«, erwiderte ich, sehr ergötzt, sie in so charmanter Unordnung zu sehen, »Ansteckung durch die Luft, das ist gemeiner Aberglaube, die Nacht ist zum Atmen so gut tauglich wie der Tag, aber viel frischer und erquicklicher, wenn der Tag glühend heiß war.«
    »Freilich, ich bin nur ein dummes Ding, kann weder lesen noch schreiben«, sagte sie. »Und Ihr, Moussu, seid bereits ein gelehrter Arzt, Ihr redet lateinisch und lest in dicken Büchern.Trotzdem weiß ich von meiner Mutter, und von meiner Großmutter, daß der Mond die Sonne der Hasen ist, und die Hasen haben bekanntlich einen Rappel, wenn man nur sieht, was sie für große Sprünge im Gras machen. Und bei uns sagt man auch, der Mond ist verrückt im März, und wenn er von Sinnen ist, kann er Euch dann nicht so mondsüchtig machen, daß Ihr ganz allein und ganz nackt auf ein Dach steigt, um die Mondgöttin anzubeten, anstatt wie ein guter Christ in Eurem Zimmer zu schlafen?«
    »Fontanette, wir haben jetzt nicht März, sondern August«, sagte ich amüsiert, doch mit ernstem Gesicht. »Und im August ist die Mondgöttin närrisch verliebt und nur darauf aus, den Senkel zu fassen und den jungen Burschen, die ihr gefallen, den Hosenschlitz aufzunesteln. Und weil heute abend meine Melancholie so groß ist, bin ich aufs Dach gekommen, wo ich Besänftigung erhoffe.«
    Ich streckte mich auf der rechten Seite meiner Schlafmatte aus und ließ die linke Seite einladend frei, als erwartete ich in der Tat eine Gefährtin der Nacht.
    »Heiliger Jesus!« rief Fontanette. »Ist es wahr, daß Ihr tief in der
malenconie
steckt? (So spricht man das Wort in Montpellier aus.) Bei Gott, ist es möglich, daß die Mondgeliebte herniedersteigt, um mit Euch zu kosen?«
    Sie setzte sich auf den linken Mattenrand, legte ihre füllige Hand auf den Bezug und tastete ihn ab.
    »Ich spüre hier nichts!«
    »Weil der Mond nur erst seine Strahlen schickt, um mich lieb zu streicheln; bald aber kommt die Mondgeliebte in Mädchengestalt, wie man sie schöner nie sah.«
    Da machte meine Fontanette große runde Augen, bekreuzigte sich und rief:
    »Das ist ja gemeine Gottlosigkeit und teuflischer Zauber! Bei allem Respekt und meiner Freundschaft, Moussu, ich mach mich davon!«
    Ich hielt sie am Arm zurück.
    »Närrin! Fort mit den albernen Ängsten! Der Mond ist so christlich wie du und ich. Oder hätte der Herrgott ihn sonst bei Erschaffung der Welt an sein Firmament gehängt? Hätte er, der alles vermag, so lange einen unfrommen, heidnischen Mond geduldet?«
    »Trotzdem, ich find es nicht gut, wenn der Mond sich ausklinkt und als Geliebte herabsteigt, um hier die armen Mädchen dieser Welt in ihrem Tun und Vergnügen zu ersetzen«, sagte sie, halbwegs

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