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In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück

Titel: In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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ich verzichten. Na ja, es ist einfach seine Art. Er flirtet mit jeder Frau. Ich frage mich wirklich, wie meine Mutter das so viele Jahre aushalten konnte. Ich wünschte, er würde seinen Kindern nur halb so viel Aufmerksamkeit schenken wie irgendeiner x-beliebigen Frau.«
    »Aber du wolltest doch unbedingt so früh gehen. Wie sollte er sich da mit euch beschäftigen? Du hast ihm doch gar keine Gelegenheit gegeben.«
    »Ach! Das wäre doch sowieso alles nur Show gewesen. Wie soll man sich in so kurzer Zeit denn auch näherkommen? Morgen Abend fliegt er schon wieder nach Madrid.«
    Ein seltsames Gefühl des Bedauerns ergriff mich. Aber dann riss ich mich zusammen. Ich hatte alle sechsundzwanzig Haarnadeln entfernt und schüttelte meinen Kopf, dass die Haare in alle Richtungen flogen. Dann fragte ich, was ich schon die ganze Zeit wissen wollte. »Wie alt ist dein Vater eigentlich?«
    »Achtundvierzig«, sagte Leo. »Aber irgendwie hat er den Schuss nicht gehört. Er glaubt, seine ungebügelten Hemden lassen ihn jünger aussehen.«
    Achtundvierzig . Mehr als doppelt so alt wie ich.
    Uralt. Schon so gut wie tot.
    »Er hat überhaupt kein Gefühl dafür, wie er mit seinen Kindern umgehen muss. Ständig stößt er uns vor den Kopf. Weißt du, was er zu Helen gesagt hat, als sie ihm von ihrenPlänen, Model zu werden, erzählt hat?« Leo schnaubte zornig durch die Nase. »Kolumbus musste von Indien träumen, um Amerika zu finden.«
    »Kolumbus musste von Indien träumen, um Amerika zu finden?« , wiederholte ich. Das gefiel mir außerordentlich. Achtundvierzig, also. Wie alt war Brad Pitt? Und ging Johnny Depp nicht auch allmählich auf die Fünfzig zu? Kein Mensch käme auf die Idee, diese beiden als alt zu bezeichnen, oder? Als ich merkte, was ich da dachte, hätte ich mich am liebsten selbst geohrfeigt. »Das ist aber sehr … poetisch und weise.«
    »Das ist nicht von ihm«, sagte Leo verächtlich. »Er hat es irgendwo geklaut. Er wirft ständig mit Zitaten um sich und tut so, als hätte er sich das selber ausgedacht. Er ist ein Blender.«
    Eine Weile schwiegen wir.
    Ich zählte, wie oft Leo ein- und ausatmete. Im Halbdunkeln konnte ich immerhin sein Profil erkennen. Wie schön er war. Immer, wenn ich ihn in den vergangenen fünf Monaten angeschaut hatte, war mein Herz vor lauter Besitzstolz angeschwollen. Mein erster Freund. Meiner .
    Eigentlich hätte ich ihn gern noch behalten.
    »Kommst du noch mit hoch?«, fragte ich.
    Leo schüttelte den Kopf. »Nein. Ich schreibe Dienstag Öffentliches Recht und habe viel zu wenig gelernt. Morgen will ich früh aufstehen, um noch was zu schaffen. Und dann fahre ich die Mädchen nach Hause.« Helen und Corinne übernachteten bei den Großeltern im Gästezimmer. »Sei mir nicht böse.«
    Nein, ich war nicht böse. Ich war nur enttäuscht. Weil Leo sich kein bisschen für die anderen Dinge zu interessieren schien, die ich ihm bisher verheimlicht hatte. Und weil ich nicht weiter über seinen Vater reden konnte.
    In diesem Augenblick klingelte mein Handy. Es war meine Mutter, die mir sagen wollte, dass ich Tante geworden sei. DasBaby meines Bruders war vor einer Stunde geboren worden. Meine Mutter wollte mir einen kompletten Geburtsbericht liefern – »um sechzehn Uhr ist die Fruchtblase geplatzt, aber Susanne hatte noch keine Wehen. Manuel hat bei mir angerufen, und ich habe ihm gesagt, dass ich bei ihm auch einen vorzeitigen Blasensprung hatte und dass …« –, aber ich unterbrach sie und fragte, wie es dem Hund ginge.
    »Dem Hund ? Welchem Hund?«, fragte meine Mutter.
    Ha! Ich hatte es gewusst. Kaum war das Enkelchen da, waren die Haustiere vergessen. Das war doch immer so.
    »Die Kreissäge hat ein Mädchen bekommen«, sagte ich zu Leo. »Ich fahre wohl morgen für ein paar Tage nach Hannover. Sonst kümmert sich jetzt niemand mehr um den armen Hund.«
    »Warum heißt die arme Frau eigentlich Kreissäge? Hat sie eine so fürchterliche Stimme?«
    »Nein, gar nicht. Es ist wegen ihres Hinterns. Flach wie eine Kreissäge.«
    »Wie gemein. Da kann sie doch nichts dafür.«
    »Wir sagen es ihr ja nicht ins Gesicht«, verteidigte ich mich.
    Aber Leo ließ sich nicht besänftigen. Er schüttelte wieder den Kopf. »Heute Abend ist mir das erste Mal aufgefallen, wie zickig du doch bist. Ich habe offenbar so eine Art Wunschbild auf dich projiziert, das leider mit der Wirklichkeit nicht mithalten kann.«
    Wie bitte?
    »Spinnst du? Ich möchte nicht wissen, wie deine Schwestern hinter

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