Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück

Titel: In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
Vom Netzwerk:
würde das Kinderzimmer werden, sobald die Pflaume auf der Welt war. Deshalb ging ich in diesen Tagen im Januar zu dem Maklerbüro, das Frau Karthaus-Kürten mir empfohlen hatte. Die Maklerin war jung, nett und energisch, aber sie machte mir wenig Hoffnung auf eine Wohnung mit einem offenen Kamin.
    »Zwei Zimmer, Küche, Diele, Bad mit Kamin dürfte so selten wie ein Lottogewinn sein.«
    »Es muss aber unbedingt eine Wohnung mit einem Kamin sein«, sagte ich, auch auf die Gefahr hin, dass die Frau mich für verrückt hielt. »Dafür würde ich auch ein Bad ohne Fenster in Kauf nehmen.«
    »Ich werde sehen, was sich machen lässt«, sagte dieMaklerin. Ich war ganz zuversichtlich, dass sie die richtige Wohnung für mich beschaffen würde, denn sie war eine clevere Person. Als ich ihr meine derzeitige berufliche, finanzielle und private Lage auseinanderklamüsert hatte, hatte sie nämlich, ohne lange zu überlegen, erwidert: »Dann schreiben wir doch einfach vermögende Diplom-Meteorologin – das klingt fantastisch und ist nicht gelogen.«
    Möglicherweise war das ja das Geheimnis: keine Lügen, aber auch nicht zu viel Wahrheit – dann wäre die Welt in perfekter Balance.
    Weil ich gerade so gut in Schwung war (Frau Karthaus-Kürten nannte es »stabile Verfassung«), konnten wir auch endlich die lange überfällige Fahrt zu der Düsseldorfer Halle abhaken, in der Karl einen Großteil der Kunstgegenstände und Möbel gelagert hatte. Ich fuhr nur mit, weil »die Gegenseite«, also Leo und seine Schwestern, auf ihre Anwesenheit bei der Sichtung und Katalogisierung verzichtet hatten und ich daher sicher sein konnte, niemandem von ihnen dort zu begegnen.
    »Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser«, sagte mein Anwalt, ein freundlicher Mensch mit Dackelblick und Mittelscheitel. »Im umgekehrten Fall hätte ich auf Ihrer Anwesenheit bestanden, denn wie schnell hat man mal ein Collier oder einen Biedermeiersekretär in der Handtasche verschwinden lassen, nicht wahr? Ich vermute ohnehin schon das Schlimmste, was das Interieur der Villa angeht – zu der hat doch sicher auch noch der Bruder Zugang, und so wie ich den einschätze, hat er sich restlos alles unter den Nagel gerissen, was da noch an Wert herumstand. Sie hätten gleich zu Anfang hingehen und alles fotografieren müssen.«
    Ich versuchte ihm zu erklären, dass mir das alles eigentlich ziemlich egal sei. Ich wollte nur, dass es endlich mal vorbeiwar, damit ich diesen Abschnitt meines Lebens abschließen könne.
    Der Anwalt sagte, mir könne es ja egal sein, denn er würde schon dafür sorgen, dass ich mein Recht bekäme. Und die Villa möge vielleicht leer geräumt sein, aber ansonsten solle Onkel Thomas nicht mal den Schnupftabak aus der Schnupftabaksdose bekommen, die er immer und immer wieder anmahnte. Seine Ansprüche, sagte der Anwalt, seien keinesfalls begründet und die mehrfach erwähnten Beweise bisher nicht erbracht. Wegen des Blatts Papier, das mein Vater geküsst hatte, das, auf dem stand, dass ich alles erben sollte, falls Karl etwas zustieße, müsse das Vermögen nach jetzigem Stand der Dinge lediglich zwischen mir als Erbin und Karls Kindern als Pflichtteilsberechtigten aufgeteilt werden.
    »Und dann sind Sie eine wohlhabende Frau«, sagte der Anwalt. »Sogar noch, wenn Sie mir mein Honorar gezahlt haben.«
    Es sei denn, Onkel Thomas würde noch ein Ass aus dem Ärmel schütteln.
    Leo und seine Schwestern hatten eine Auflistung der ihrer Ansicht nach zu teilenden Vermögenswerte vorgenommen, die sich weitgehend mit der Liste deckte, die mein Vater und Mimi noch in London anhand von Karls Unterlagen erstellt hatten. Über Aktiendepots, Barvermögen und Immobilien gab es keine Uneinigkeiten, nur der Wert der Immobilien musste noch geschätzt werden. Etwas schwammig wurde es bei den Punkten »Inventar der großelterlichen Villa in Rodenkirchen« und »Diverse Gemälde, Schmuck, Uhren und Kunstgegenstände«, aber hier brachten die ellenlangen Listen von Onkel Thomas schon im Vorfeld etwas Licht ins Dunkel. Er hatte exakt vierunddreißig Gegenstände aufgeführt, die seiner Ansicht nach ihm zustanden, weil sie aus dem Nachlassseiner geliebten Tante Jutta stammten und immer schon ihm zugedacht gewesen wären, sowie zweiundzwanzig weitere, von denen er behauptete, sie stünden ihm aus »rechtlicher wie moralischer« Sicht ebenfalls unzweifelhaft zu (ein Satz, über den mein Anwalt herzlich lachte), und Karl habe sie lediglich für ihn aufbewahrt.

Weitere Kostenlose Bücher