In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück
besprechen. Heute kam die Inventarliste, die dein Anwalt aufgestellt hat. Das ist ja schon eine Menge Zeug, was da auseinanderdividiert werden muss.«
»Wie, diese Art Krankenhaus?«, fragte ich. »Ich war nicht in der Psychiatrie, falls du das meinst. Obwohl – wenn ich jetzt so darüber nachdenke: Verrückt waren da schon ziemlich viele. Wer weiß, vielleicht war’s die Psychiatrie, und ich hab’s nur nicht gemerkt.«
Leo ging nicht näher darauf ein. »Also, wie sieht’s aus? Traust du dir zu, das mit mir zu besprechen?«
»Ja«, sagte ich. »Ich nehme ja regelmäßig meine Tabletten. Und all meine Messer und Gewehre sind mir abgenommen worden.«
»In Ordnung«, sagte Leo. »Dann würde ich sagen, wir treffen uns morgen Nachmittag in einem Café. Das ist ein neutraler Ort.«
»Im Gegensatz zu was?«
Wieder ignorierte Leo mich. »Kennst du das Holly’s in der Dankertstraße? Siebzehn Uhr?«
»In Ordnung.«
Als ich auflegte, kam Mimi aus dem Bad.
»Und?«
»Immer noch schwanger«, sagte sie knapp.
»Was für eine Überraschung«, sagte ich. »Ich wäre dafür, dass du jetzt auf Schwangerschaftstestentzug gehst – ganz langsam. Jeden zweiten Tag reicht ja auch.«
»Ich versuch’s«, sagte Mimi.
»Schwör es! Die Dinger sind so teuer! Wenn du so weitermachst, seid ihr bis zur Geburt des Kindes verarmt.«
»Ich schwöre«, sagte Mimi, aber ich sah genau, dass sie ihre Finger hinter dem Rücken kreuzte.
Ich gab auf. »Kennst du das Holly’s in der Dankertstraße?«
»Ich kenne nicht mal die Dankertstraße«, sagte Mimi. »Findest du, ich sehe schwanger aus?«
»Nein«, sagte ich. »Du siehst nur verrückt aus.«
»Wenn wir bedenken,
dass wir alle verrückt sind,
ist das Leben erklärt.«
Mark Twain
Noch jemand rief an diesem Abend an – Onkel Thomas.
»Hier ist dein lieber Exschwager Tommi«, sagte er.
Als ich seine ölige Stimme hörte, bekam ich zuerst einen Schreck, dann wurde ich wütend. »Ah, Onkel Thomas. Der hinterhältige Erpresser, der Leo damals die Sache mit mir und Karl gesteckt hat.«
»Richtig, genau der!« Onkel Thomas lachte. »Ich dachte, ich rufe mal persönlich an, bevor die Sache wegen der Sturheit der Anwälte eskaliert und vor Gericht landet. Ich hätte dir da nämlich einen Vorschlag zu machen. Einen Vorschlag zur Güte.«
»Onkel Tho…« Ich brach ab. Es sprach nicht wirklich für mich, dass ich diesem Menschen keinen anderen Namen als »Onkel Thomas« gegeben hatte. Wahlweise noch Onkel Ohrfeigengesicht Thomas. Aber auf die Schnelle fiel mir auch nichts Besseres ein.
»Du kannst mich ruhig Thomas nennen. Und wie darf ichdich nennen? Wie hat dich mein lieber Bruder noch gleich immer genannt?«
»Carolin«, sagte ich.
»Nein, ich meine – welchen Kosenamen hat er dir gegeben?«
»Manchmal hat er mich seine Ophelia genannt«, sagte ich. »Aber das geht Sie natürlich gar nichts an. Und es heißt auch nicht, dass er damit meinte, ich würde dem Wahnsinn verfallen, falls Sie das jetzt denken.«
»Hm«, machte Onkel Thomas mürrisch. »Aber jetzt mal zur Sache. Du weißt sicher, dass es nicht gut für dich aussieht. Wenn ich erst meinen Pflichtteilsberechtigungsanspruch stelle, ist es für einen Kompromiss zu spät. Daher kommt von meiner Seite hier ein Friedensangebot. Eins, bei dem du außerordentlich gut wegkommst, möchte ich doch meinen. Ich verzichte auf die mir zustehenden Pfründen und nehme mir lediglich einige wenige Gegenstände, an denen mein Herz hängt, einverstanden? Hast du eigentlich einen zweiten Vornamen?«
Ich hätte gern gelacht (das Wort »Pfründen« war zu schön), musste aber husten. Meine Lunge war immer noch ein wenig angegriffen. Als ich wieder sprechen konnte, sagte ich: »Pflichtteilsberechtigungsanspruch – was soll denn das bitte sein? Sie sind als Bruder überhaupt nicht pflichtteilsberechtigt.«
»Oh, oh, da ist aber jemand gar nicht gut informiert«, sagte Onkel Thomas. »Ich empfehle dir dringend, den Anwalt zu wechseln. Deiner ist eine Niete, Mädchen. Aufgrund der vorliegenden Unterlagen müsste ihm sehr wohl klar sein, dass mir ein nicht unerheblicher Teil des Erbes zusteht. Zumal ich Dokumente habe, die das beweisen.«
»Wenn das so ist, brauchen wir doch diese kleine, private Abmachung gar nicht«, sagte ich. »Ich will selbstverständlich, dass Sie alles bekommen, das Ihnen zusteht.«
Onkel Thomas wollte noch etwas sagen, aber ich legte schnell auf.
»Oh, wenn das mal kein Fehler war«, sagte Ronnie. »Wenn er
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