In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück
am Ende doch Recht hat und Beweise vorlegen kann …«
»Glaub ich nicht«, sagte ich. »Der Mann lügt doch, sobald er den Mund aufmacht. Der ist ein Pseudologe, wie er im Buche steht.«
»Außerdem soll sie sich nicht fürchten!« Mimi klopfte mir auf die Schulter. »Sie soll um ihr Erbe kämpfen wie eine Löwin. Es wird eine Zeit kommen, in der sie das Geld gut gebrauchen kann. Und dann würde es ihr leidtun, wenn sie es Onkel Thomas und Leo und seinen garstigen Schwestern überlassen hätte. Was ziehst du morgen an? Soll ich dir was leihen? Der Mistkerl soll ja nicht denken, dass du immer so aussiehst wie bei eurer letzten Begegnung. Diesmal wirst du Concealer benutzen, dafür werde ich sorgen, und wenn es das Letzte ist, das ich tue.«
Ronnie warf mir einen viel sagenden Blick zu. »Der Obsthändler sprach von zunehmender Aggressivität bei Pflaumenbäumen, hervorgerufen durch Ameisen.«
»Dann passt es ja«, sagte ich.
»Hä?«, sagte Mimi und kratzte sich am Bauch.
Die Dankertstraße lag im gleichen Viertel wie das Beerdigungsinstitut Hellmann, nur ein paar Straßen davon entfernt. Und ganz in der Nähe lag auch die Anwaltskanzlei, die Leo und seine Schwestern vertrat. Ich hatte den Verdacht, dass Leo hier auch irgendwo wohnte – wo doch alles so praktisch nah beieinanderlag.
Ich ließ mir den Weg von einem Routenplanerprogramm im Internet erklären und fuhr mit der Straßenbahn hin – es herrschte ungemütliches Schneeregenwetter, und ich war noch nicht wieder fit genug für längere Fußmärsche.
Der ältere Herr, der mir gegenübersaß, war Herr Krapfenkopf. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich ihn erst erkannte, als er mich ansprach.
»Na? Fahren Sie auch mit der Bahn?«
»Ähm. Ja. Und Sie?«
»Ich fahre meine Tochter und das Enkelkind besuchen. Meine Frau darf nichts davon wissen – die beiden verstehen sich nicht besonders gut.« Herr Krapfenkopf guckte verlegen aus dem Fenster. »Ich habe das gehört, mit Ihrem Mann. Das tut mir sehr leid für Sie.«
Seltsamerweise bekam ich einen Kloß im Hals. »Danke. Und es ist nett, dass Sie die Klage zurückgezogen haben.« Nicht dass diese Klage Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, aber es war trotzdem nett.
»Na ja. Ich dachte, Sie haben jetzt wahrscheinlich genug anderes um die Ohren.«
»Ja, da haben Sie Recht. Es tut mir leid, dass ich Sie Krapfenkopf genannt habe, Herr Kr … – wie heißen Sie eigentlich richtig?«
»Hempel«, sagte Herr Krapfenkopf. »Heinrich Hempel.«
Ich streckte Herrn Krapfenkopf die Hand hin. »Ich bin Carolin Schütz. Wie gesagt, es tut mir leid. Ich wollte Sie wirklich nicht kränken.«
»Weiß ich doch«, sagte Herr Krapfenkopf. Dann sah er wieder aus dem Fenster.
Ich kam pünktlich in Holly’s Café an. Leo saß bereits an einem Tisch nahe der Tür und winkte mir zu. Wieder trug er einen Anzug und eine Krawatte – vermutlich war er direkt von der Arbeit gekommen. Die blonden Haare glänzten im Lampenlicht.
»Wohnst du hier irgendwo?« Damit umging ich die Begrüßung ( Hallo? Guten Abend? Na du, auch schon da? Exfreundinnen-Küsschen auf die Wange? Rechtsstreitgegner-Händedruck? Stiefmütterliches Schulterklopfen? – Ich wusste einfach nicht, was hier angebracht gewesen wäre.), vielleicht klang meine Frage ein wenig barsch.
»Ja, gleich da vorne«, sagte Leo und zeigte mit dem Daumen vage Richtung Nachbartisch. »Aber lange wollen wir die Wohnung nicht mehr behalten. Sie ist einfach zu klein.«
Mit »wir« waren sicher seine Verlobte und er gemeint. Schön, dass er das gleich erwähnte. »Oh«, sagte ich, während ich meinen Mantel auszog und ihn über die Stuhllehne hängte. »Ist da etwa jemand pflaumig?«
»Wie bitte?«
Ich setzte mich. »Schon gut. Ich habe heute wohl selber ein kleines Ameisenproblem.«
»Ich habe dir einen Cappuccino bestellt«, sagte Leo. »Möchtest du auch etwas essen?«
»Nein, danke.«
»Du siehst aber ziemlich dünn aus.«
»Danke.« Mal ehrlich, damit kann man eine Frau nicht wirklich beleidigen, oder?
»Aber immerhin besser als beim letzten Mal. Ich habe mich richtig erschrocken, als ich dich gesehen habe. Mit den fettigen Haaren, den ungepflegten Klamotten und diesen schwarzen Ringen unter den Augen.« Leo nahm ein Stück Würfelzucker und ließ es auf seiner Handfläche hin und her kullern.
»Nass«, sagte ich.
»Was?«
»Die Haare waren nass, nicht fettig. Und die Klamotten waren auch nass. Nicht ungepflegt.«
»Ich hab nicht …«
»Außer den
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