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In weißer Stille

In weißer Stille

Titel: In weißer Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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dem Laufenden.«
    »Okay.« Ihre Stimme klang freudig erregt.
    »Sie unternehmen nichts und bleiben wirklich unsichtbar. Ist das klar?«
    * * *
    Albert bog von der Hauptstraße auf den holprigen Weg ein, der in den Wald führte, und folgte ihm bis zum Wochenendhaus. Es stand kein Fahrzeug davor. »Dühnfort scheint sich auch zu verspäten«, sagte Babs.
    »Sieht so aus.« Albert stieg aus und steuerte auf das Haus zu. Babs folgte ihm zögernd. Sie wollte es nicht betreten. Da drinnen …
    »Setz dich auf die Terrasse. Ich sehe nur kurz rein, ob alles in Ordnung ist«, sagte Albert, als hätte er ihre Gedanken gelesen. »Kann ich dich so lange allein lassen, Mäuschen? Oder ängstigst du dich?«
    Erleichtert atmete Babs durch. Da war er wieder, ihr Albert. »Es ist nur … du verstehst schon.«
    »Natürlich. Setz dich in die Sonne. Ich bin gleich bei dir.«
    Sie ging um das Haus herum und ließ sich auf der Veranda nieder. Es war ein schöner Herbsttag. Sie schloss die Augen und genoss die wärmenden Strahlen der Sonne, bis sie ein Geräusch hinter sich hörte. Albert öffnete das Fenster. »Kannst du kurz reinkommen und mir helfen? Der Kühlschrank läuft immer noch. Man müsste ihn ausräumen und abtauen.«
    Babs überwand ihre Abscheu. Wenn Dühnfort kam, konnte sie sich ohnehin nicht länger drücken. Als sie das Haus betrat, bemerkte sie das aufgerissene Polizeisiegel an der Tür. Hatte Albert das getan?
    Ein ekelhafter Geruch schlug ihr entgegen. Sie versuchte möglichst flach zu atmen. Die Tür zum Schlafzimmerstand offen. Babs ignorierte das Chaos, trat hinein und öffnete das Fenster. Dann ging sie in die Küche. Albert hatte bereits einen Müllbeutel aus dem Schrank geholt und war dabei, die verdorbenen Lebensmittel hineinzulegen. Nun drückte er ihr die Tüte in die Hand und verließ den Raum. Sie hörte, wie er die Haustür verschloss, und fuhr herum. Die Erkenntnis, was das bedeutete, legte sich als eisige Kälte in ihren Magen.
    Albert kam zurück und wies auf den Stuhl am Küchentisch. Daraufhin zog er die Uhr aus der Hosentasche und legte sie auf die Kiefernholzplatte. »Setz dich.« Seine Stimme klang müde.
    * * *
    Er hatte keinen Plan.
    Als Babs vorher, in der Wohnung, zum Telefon gegriffen hatte, war ihm beinahe das Herz stehengeblieben. Woher er diese Geschichte mit dem Ortstermin genommen hatte, wusste er selbst nicht. Er wusste nur, was er verhindern musste. Aber wie? Sollte er sie ins Vertrauen ziehen? Wenn er ihr erzählte, wie es dazu gekommen war … Sie würde ihn verstehen. Aber der Preis dafür war zu hoch. Er wollte frei sein. Endlich. Außerdem hatte er sie gedemütigt. Das würde sie ihm nicht verzeihen. Sie mit ihren hohen moralischen Ansprüchen. Und selbst wenn sie ihn verstand, würde sie ihn doch drängen, sich dem zu stellen, was er getan hatte.
    Und dann war da noch das Problem mit der Polizistin. Was hatte es zu bedeuten, dass sie am Rastplatz aufgetaucht war? Hatte sie mit Babs gesprochen? War es Zufall gewesen, dass sie kurz nach Babs die Toiletten aufgesucht hatte? Es war dieselbe, die mit ihrem Kollegen zum Wochenendhaus gekommen war, kurz nachdem erden Notruf getätigt hatte. Er hoffte, dass sie ihn nicht erkannt hatte. Jedenfalls war sie ihm nicht gefolgt.
    Weshalb auch, beruhigte er sich. Auf ihm lag nicht der Hauch eines Verdachts.
    Aber Babs wusste es. Er sah es in ihren Augen.
    * * *
    Ihre Intuition war also richtig gewesen. Nicht Bertram hatte die Uhr in den Schreibtisch gelegt. »Dühnfort kommt gar nicht.«
    »Du sollst dich hinsetzen.«
    »Warum?«
    »Das will ich dir ja erklären. Jetzt setz dich endlich hin!«
    Sie gehorchte.
    Albert nahm ihr gegenüber Platz, griff nach dem teuren Chronographen und drehte ihn um. Auf die Rückseite hatte er einen Text eingravieren lassen, den Babs schon damals überzogen gefunden hatte, geradezu pathetisch.
Dem besten Vater in immerwährender Liebe und Verbundenheit.
»Ich wollte das nicht. Das musst du mir glauben.«
    Die Kälte erreichte ihre Brust und stieg weiter auf. Etwas in ihr wollte sich weigern, den Sinn seiner Worte zu verstehen. Es war, als ob der feste Boden nachgab, auf dem sie bisher gestanden hatte, als ob er zu einem Morast würde, zu einem trügerischen Moor.
    »Glaubst du mir, dass ich das nicht wollte?« Er starrte weiter auf die Gravur, blickte dann auf und sah ihr in die Augen. Trauer, Angst und Verzweiflung lagen darin, aber auch Ratlosigkeit. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er seinen

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