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In Zeiten der Flut

In Zeiten der Flut

Titel: In Zeiten der Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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Blumen. Niemand, mit dem ich hätte reden können! Glauben Sie mir, ich habe mir das Geld redlich verdient. Hin und wieder weinte ich.«
    Ihre Augen blickten milde in die Ferne. »Er behandelte mich mit großer Nachsicht, so als wäre ich sein Haustier, seine empfindsame Katze, aber kein einziges Mal nahm er die Frau in mir zur Kenntnis, das merkte ich wohl. Er benutzte mich dazu, sein Kind auszutragen, darauf lief es hinaus, ansonsten hielt er sich zurück.
    Ich zerriß das Jungfernhäutchen mit diesen beiden Daumen. Ich war natürlich auch als Hebamme ausgebildet und wußte, was ich essen und welche Übungen ich machen mußte. Als er mir fremde Speisen und Arzneien anschleppte, warf ich sie weg. Als er dahinterkam, lachte er, denn inzwischen sah er ja, daß ich gesund war und daß es seinem Kind gut ging. Aber ich hatte meine eigenen Pläne. In der Geburtswoche war er nicht da - ich hatte ihm das falsche Datum genannt -, und anschließend entwischte ich ihm. Damals war ich jung, ich ruhte mich zwei Tage aus, dann verließ ich Ararat. Er glaubte, ich hätte mich verlaufen und würde nicht mehr zurückfinden, verstehen Sie. Aber ich stammte aus dem Tideland, was wußte er in seiner schwebenden Welt aus Metall schon davon? Ich hatte insgeheim Vorräte gehortet, und ich wußte, welche Pflanzen genießbar waren, darum hatte ich genug zu essen. Ich folgte den Flußläufen, umging die Marsch und gelangte schließlich ans Meer. Woanders hätte ich gar nicht herauskommen können. Nach nicht mal einem Monat war ich hier gelandet, bestellte die Arbeiter und ließ dieses Haus bauen.«
    Sie lachte leise, und das Lachen blieb ihr im Halse stecken und mündete in einen Hustenanfall. Ihr Gesicht verzerrte sich und lief rot an, und der Bürokrat fürchtete bereits, sie könnte ernsthafte Probleme haben. Als sie sich wieder beruhigt hatte, schenkte er ihr aus einer Karaffe ein Glas Wasser ein. Sie nahm es an, ohne sich dafür zu bedanken. »Ich habe den Kerl reingelegt, ganz recht. Ich habe ihn ausgenutzt. Ich hatte sein Geld auf Banken des Piedmont in Sicherheit gebracht, und ich hatte sein Kind. Er wußte nicht, wo er nach ihm hätte suchen sollen, und Nachforschungen anstellen konnte er nicht. Wahrscheinlich hat er sich nie die Mühe gemacht. Hat wohl geglaubt, ich wär dort draußen umgekommen. Um Ararat herum ist es sumpfig.«
    »Das ist eine erstaunliche Geschichte«, sagte der Bürokrat.
    »Sie glauben, ich hätte ihn geliebt. Das meint jeder, aber so war es nicht. Er hat mich mit seinem fremden Geld gekauft. Er hat geglaubt, er sei wichtig und ich im Vergleich zu ihm ein Nichts, jemand Unbedeutendes, den er kaufen und bei der nächsten Gelegenheit wieder fallenlassen könnte. Und er hatte recht damit, der Teufel soll ihn holen! Und das hat mich wütend gemacht. Deshalb habe ich ihm seinen Sohn weggenommen, um ihn eines Besseren zu belehren.« Sie kicherte. »Ach, das waren noch Zeiten.«
    »Haben Sie irgendwelche Fotos von ihm?«
    Sie deutete zur Wand, wo sich kleine Porträtfotos und uralte fotomechanische Abbildungen gegenseitig den Platz streitig machten. »Bringen Sie mal das Bild dort in dem Schildpattrahmen her.« Er gehorchte. »Diese Frau, diese hochgewachsene Schönheit, das war ich, ob Sie's nun glauben oder nicht. Das Kind ist der junge Aldebaran.«
    Er betrachtete es aufmerksam. Die Frau war plump und gewöhnlich, offenbar jedoch stolz auf ihre Leibesfülle, auf ihr Fleisch: Sie würde schon ihre Verehrer gehabt haben. Das Kind wirkte unheimlich; es blickte ihn geradewegs an, mit Augen, die zwei dunkle Kreise waren. »Das da auf dem Bild ist ein Mädchen.«
    »Nein, das ist Aldebaran. In den ersten paar Jahren habe ich ihn Röcke und Volants tragen lassen, für den Fall, daß sein Vater plötzlich auftauchen sollte. Bis er sieben war. Dann wurde er störrisch, richtig ungezogen, und wollte seine Sachen nicht mehr anziehen. Ich mußte nachgeben, sonst wäre er splitterfasernackt auf die Straße gelaufen. Leicht fiel's mir nicht. Drei Tage lang lief er nackt herum, bis der Priester kam und meinte, das könne nicht so weitergehen.«
    »Wie kommt es, daß Aldebaran eine auswärtige Erziehung genossen hat?«
    Sie antwortete nicht darauf. »Ich wollte natürlich eine Tochter haben. Mädchen sind viel fügsamer. Ein Mädchen wäre nicht fortgerannt, um seinen Vater zu finden, wie er es getan hat.« Unvermittelt kommandierte sie: »Greifen Sie mal unters Bett. Ziehen Sie raus, was Sie dort finden.«
    Er langte in die

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