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In Zeiten der Flut

In Zeiten der Flut

Titel: In Zeiten der Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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wohin er sich wenden sollte, als sich ein hundeköpfiger Mann mit einem Tablett in Händen an ihm vorbeizwängte. Er wich erschrocken zurück, und der Mann blieb stehen und nahm die Maske ab. »Kann ich Ihnen helfen, Sir?«
    »Äh ... ich habe mich bloß gefragt ...« Jetzt erst fiel ihm auf, daß die Hände der Gestalt metallene Module waren, die vor jedem Aufwarten einer Schnellreinigung unterzogen werden konnten.
    »Die Atlantis liegt dort hinten. Gehen Sie geradeaus weiter, dann links, und folgen Sie den Wegweisern. Sie können sie gar nicht verfehlen.«
    Amüsiert befolgte der Bürokrat die Anweisungen und gelangte zu einer langgestreckten Plattform mit mehreren Tischen darauf. Gruppen von Surrogaten und vereinzelte Menschen lehnten am Geländer und schauten in den Wald. Er schaute ebenfalls.
    Man hatte den Baum zurückgeschnitten, um freie Aussicht ins Waldinnere zu haben. Goldene Lichtstrahlen fielen schräg durchs Laub, darin tanzten wie Staubteilchen irgendwelche Tiere. Vor ihm ragte wie ein Phantom das gestrandete Wrack eines Ozeandampfers auf. Die Atlantis.
    Ihre Ausmaße waren gewaltig. Der Bug ragte über den Wald auf. Irgendwann im letzten Winter war das Schiff mit dem Heck voran gesunken, und die Gezeiten hatten es halb begraben, so daß es im Moment des Untergehens eingefroren schien. Zahllose Orchideenkrabben überquerten gerade die verkrusteten Überbleibsel, und es war mit Blumen bedeckt, eine ebenso unglaubliche Schöpfung wie jede beliebige mnemonische Adresse im Palast der Rätsel.
    Der Anblick weckte bei ihm das Gespenst der Erinnerung. Er hatte schon mal von diesem Schiff gehört. Irgend etwas.
    Der Bürokrat fand einen leeren Tisch, trieb irgendwo einen Stuhl auf und setzte sich. Eine sanfte Brise zauste sein Haar. Blätter raschelten, als eine gefiederte Schlange in die Luft sprang, ein scherenschwänziger Fink möglicherweise oder ein Rotkehlchen. Hier, wo er an die vornehme Baumabstammung der Menschheit erinnert wurde, war dem Bürokraten seltsam friedlich zumute. Er überlegte, warum die Leute wohl so wenig Mühe auf ihre Heimkehr verwandten, wenn sie sich so leicht bewerkstelligen ließ.
    In diesem Moment sah er auf den Tisch hinunter. Eine grob gezeichnete Krähe fixierte ihn. Ehe er reagieren konnte, fiel ein geschnäbelter Schatten darauf. Als er aufsah, erblickte er einen Mann mit einem Krähenkopf. Auf einmal fiel ihm das Schwarze Tier ein, das Dr. Orphelin verfolgt hatte. Das Geländer und die Tische waren mit verblaßten Zeichnungen von Vögeln und anderen Tieren bedeckt. Er war empfänglich geworden für solche Dinge, und darum erzeugte er jetzt seine eigenen Vorzeichen. »Willkommen in der Gespensterrast«, sagte der Kellner.
    Der Bürokrat deutete auf ein Werbeplakat für aromatisiertes Bier. »Haben Sie Limone? Oder vielleicht Orange?«
    Der Kellner hob bedauernd den Kopf. »Das gibt's nur übers Netz. Für die Surrogate. Kein normaler Mensch würde dieses Zeug trinken.«
    »Oh. Na ja, dann bringen Sie mir eben ein Glas Lagerbier. Und eine Beschreibung des Schiffs.«
    Der Kellner verneigte sich, ging weg und kehrte mit einem Bier und einem Interaktiv zurück. Das Gerät wirkte fehl am Platz, das orangerote Gehäuse bildete einen schreienden Kontrast zur bemühten Schlichtheit des Restaurants. Er hätte ebensogut wieder zu Hause in einem Naturpark sein können, wo die Bäume und der in der Ferne aufblitzende Fluß nichts weiter waren als ein kalkulierter Effekt. Das Bier war dünn.
    Er schaltete das Gerät ein. Auf dem Bildschirm erschien eine mit einer Brokatweste bekleidete lächelnde junge Frau. An den Enden ihrer Zöpfe waren kleine silberne Glöckchen befestigt. »Hallo«, sagte sie. »Ich heiße Marivaud Quinet und bin eine typische Bewohnerin von Miranda des letzten Großjahres. Ich kenne mich in Geschichte aus, kann mich aber auch über Dinge des alltäglichen Lebens unterhalten. Ich bin nicht befugt, Ihnen Ratschläge zu erteilen, und eigne mich nicht für pornographische Unterhaltung. Dieses Gerät wurde versiegelt von der Behörde für Lizenzwesen und Produktüberwachung, Abteilung Techniktransfer. Äußere Eingriffe jeglicher Art sind illegal und werden strafrechtlich verfolgt. Unter bestimmten Umständen können sie sogar zu unbeabsichtigten Verletzungen führen.«
    »Ja, ich weiß.« Das Gerät würde implodieren, wenn man sich an ihm zu schaffen machte. Er fragte sich, ob es bei der Evakuierung des Restaurants wohl Zurückbleiben und in einem silbrigen Schwall

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