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In Zeiten der Flut

In Zeiten der Flut

Titel: In Zeiten der Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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Deck steckte die Blitzchirurgin ihre Pistole in den Halfter. Sie fuhr sich mit dem Armrücken über die Stirn und blickte an den masthohen Kränen vorbei zu Caliban hoch, eine Scheibe aus Eis, die am blauen Himmel schmolz. Dann wieder hinunter zu den Köpfen der Drule, die aus dem Wasser auftauchten und wieder verschwanden.
    Sie schlenderte zum nächsten Projektor. »Mein Gott«, sagte sie. »Sind die schön.«
    Underhill schaute von seinem Bildschirm hoch und lächelte ihr zu. »Das ist die letzte Lotung. Wenn die durch sind, ist unsere Arbeit beendet.« Seine Hände huschten anmutig über die Bedienungselemente. Der
    Projektor drehte sich ein wenig, und das Gespensternetz schwang bogenförmig nach vom. »Passen Sie auf die Gruppe dort auf.« In ein Mikrofon sagte er: »Punkt Eins.«
    Schnitt zum anderen Projektor. Der Maschinist drehte sich in die entgegengesetzte Richtung. »Punkt Eins.«
    In weiter Ferne tauchten schwarze Flecken im Wasser auf, die hin und wieder verschwanden. Das Gespensternetz kroch näher, sein Weg war an der zischenden Blasenspur zu verfolgen, die es hinter sich herzog. Die Lotung veränderte die Richtung und bog ab. »Schlaue kleine Scheißerchen«, murmelte Underhill. »Daß ihr mir bloß nicht entwischt.«
    Die beiden weißen Schaumlinien näherten sich einander, wie die Blätter einer riesigen, sich schließenden Schere. Die zwischen den Gespensternetzen eingeschlossenen Drule flohen aufs offene Meer hinaus. Einige lösten sich von der Hauptgruppe, machten kehrt und schwammen zwischen den Netzen hindurch.
    »Oh!« rief Gogo. »Sie entwischen uns!«
    Wieder das zuversichtliche Grinsen. Underhill strich sich das Haar zurück. »Nein, die haben wir schon früher gefangen, und jetzt sagen ihnen unsere Chips, daß sie durchkönnen.«
    Gogo wippte aufgeregt auf den Zehenspitzen. Sie wirkte sehr jung, beinahe kindlich. »Ach, wirklich? Ja, natürlich.«
    »Ganz ruhig. Selbst wenn wir ein paar entwischen lassen - was macht das schon?«
    »Es gibt nur noch so wenige«, meinte Gogo versonnen. »So wenige. Wir hätten sie bestücken sollen, solange sie noch an Land waren.«
    Mit voller Konzentration die Bildschirme fixierend, meinte Underhill abwesend: »Wir konnten sie an Land nicht alle aufspüren. Sie sind vorsichtig, das wissen Sie doch.« Ins Mikrofon sagte er: »Punkt Drei.«
    Die Schaumlinien schlossen sich. Gogo stierte aufs Meer hinaus. »Manchmal frage ich mich, ob wir das überhaupt tun, sollten.«
    Er schaute verwundert zu ihr hoch. »Tatsächlich?«
    »Wir tun ihnen weh!« Und leise fügte sie hinzu: » Ich tue ihnen weh.«
    Underhill beobachtete gebannt den Bildschirm. »Es ist noch gar nicht solange her, da waren die Eingeborenen so gut wie ausgestorben. Alles unsere Schuld. Eine unkluge Politik, Krankheiten - in der Anfangszeit hat man sie sogar gejagt. Wissen Sie, wann das alles aufgehört hat?«
    »Wann?«
    »Als der erste Eingeborene ins Netz ging. Als die Menschen zum erstenmal die reine, unschuldige Lebensfreude dieser Wesen nachempfinden konnten. Als ...«
    »Als die Leute zum erstenmal mit ihnen durch die magische Nacht laufen konnten, mit windzerzaustem Haar, um zu jagen und sich zu paaren«, flüsterte Gogo. Sie errötete anmutig. »Ich halte das für irgendwie krank.«
    »Ganz meine Meinung«, warf Goguette ein.
    »Pah!« meinte Marivaud. »Wenn's dir keinen Spaß macht, gibt's da ja noch andere Sachen.«
    »Nein, das stimmt nicht!« sagte Underhill mit Nachdruck. »Es ist wirklich nichts dagegen einzuwenden. Es ist natürlich und gesund, sich für den physischen Aspekt der Liebe zu interessieren. Das ist ein Zeichen für ein starkes Interesse am Leben. Punkt Fünf«, sagte er, »und zu.«
    »Punkt Fünf und zu.«
    Ein dritter Maschinist betätigte einen Schalter an seinem Projektor, worauf eine weitere Schaumlinie die anderen beiden verschloß. Die Drule schwammen aufgeregt hin und her. Das letzte Gespensternetz begann sie langsam einzuholen. Die Kranführerin brachte ihr Schöpfnetz allmählich in Position. »Gleich sind Sie dran.«
    »Ich bin bereit«, sagte sie. Und fügte hinzu: »Man kann sich gut mit Ihnen unterhalten.«
    »Danke.« Er musterte sie. »Was bedrückt Sie eigentlich wirklich? «
    Ihre Finger krampften sich um den Pistolengriff, lösten sich wieder. »Ich fürchte, es könnte nicht so gut sein. Ich meine, jetzt, wo sie die Wintergestalt angenommen haben.«
    »Wollen Sie damit sagen, Sie hätten es noch nie ausprobiert?«
    »Ich hatte Angst.«
    Underhill

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