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In Zeiten der Flut

In Zeiten der Flut

Titel: In Zeiten der Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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von Luftblasen vergehen würde, wenn sich das Salz irgendwann durchs Gehäuse hindurchgefressen hätte. »Marivaud, erzählen Sie mir von der Atlantis.«
    Sie wurde ernst. »Dies war die letzte Tragödie in unserer Zeit. Zugegeben, wir waren überheblich. Wir haben Fehler gemacht. Dies war der letzte, der die außerplanetarischen Mächte dazu veranlaßt hat, unsere Technik um weitere hundert Jahre zurückzuversetzen.«
    Der Bürokrat erinnerte sich noch hinreichend genau, um zu wissen, daß dies eine unzulässige Vereinfachung war. »Die Maßnahmen waren nötig, Marivaud. Alles hat seine Grenzen.«
    Sie zupfte zornig an einem Zopf, und das Glöckchen klingelte. »Wir waren nicht das dumme Vieh, das heutzutage hier lebt. Wir hatten unseren Stolz! Wir hatten unsere eigenen Wissenschaftler, unseren eigenen Weg. Wir haben keinen kleinen Beitrag zur Kultur des Prospero-Systems geleistet. Wir waren in den ganzen Sieben Schwestern bekannt!«
    »Das bezweifle ich ja gar nicht. Erzählen Sie mir vom Schiff.«
    »Die Atlantis war ursprünglich ein Liniendampfer. Man mußte sie auf offenem Meer umbauen - für die Häfen hatte sie zuviel Tiefgang. Der Teil, den Sie dort sehen, ist nur der Bug. Das ganze Schiff war so groß wie eine Stadt.« Eine Aneinanderreihung alter Aufnahmen des Schiffes in unterschiedlicher Gestalt; das monströse Gebilde hob und senkte sich auf gewaltigen Wogen. »Nun, vielleicht schien es nur so, denn ich habe es aus so vielen verschiedenen Blickwinkeln gesehen, daß sie sich in meiner Vorstellung alle vermischen. Aber ich greife vor. In der ersten Phase wurde am Rande des Tidelands eine Kette von Transmittern errichtet. Sie waren mit Kabeln aus Karbonfaser im Muttergestein verankert und vermochten den Gezeiten zu trotzen, wenn diese über das Land hinwegrollten.« Noch mehr Bilder, diesmal von dicken Türmen mit knollenförmigen Enden. »Wir rüsteten sie mit dauerhaft versiegelten Fusionsgeneratoren aus, damit sie die Zeit der halbjährigen Überflutung überstanden. Wir benötigten nicht einmal zehn Jahre, um ...«
    »Marivaud, dafür habe ich keine Zeit. Bitte bloß der Untergang.«
    »An diesem Tag war ich zu Hause«, sagte Marivaud. »Ich hatte mir ein Haus gleich oberhalb der Falllinie gebaut - an der späteren Küste des Piedmont. Ich bereitete mir ein leichtes Frühstück, einen köstlichen Marmeladetoast, bestreut mit Bodenpetersilie aus meinem Garten, dazu ein Glas Stout.«
    Das Bild überblendete zum Innern eines kleinen Landhauses. Regen sprenkelte die Fensterscheiben, und im Kamin brannte ein Feuer. Marivaud wischte sich hastig einen Marmeladerest aus dem Mundwinkel. »Es war ein heller, sonniger Morgen draußen auf dem Meer. Ich sprang von Passagier zu Passagier wie ein Sonnenstrahl. Ich fühlte mich so frisch und glücklich.«
    Der Bildschirm zeigte nun das Deck der Atlantis.
    Grüngelbe Leiber ergossen sich aufs Deck. Ein Schöpfnetz schwenkte beiseite. Der Bürokrat erkannte die zuckenden Wesen nicht gleich. In der Wintergestalt hatten sie kaum Ähnlichkeit mit Menschen. Sie hatten lange, aalglatte Schwänze und zwei schlanke Anhängsel, die man mit einigem Wohlwollen als Arme bezeichnen mochte; ihre Gesichter waren stromlinienförmig, die Münder in einem lautlosen Schrei geöffnet. Sie krümmten sich, ihre Leiber verkürzten und verlängerten sich, wechselten ständig die Form, verzweifelt bemüht, sich an die Luft anzupassen. Das Bild stellte sich auf einen von ihnen scharf ein, und in der gequälten Drehung des Kopfes sah der Bürokrat plötzlich Intelligenz aufblitzen.
    »Das sind ja Drule!«
    Marivaud wurde auf einer Bildseite eingeblendet, so heiter und gelassen wie eine Madonna am Frühstückstisch sitzend. Sie nickte. »Ja, unsere kleinen Lieblinge.«
    Eine Frau in Gummistiefeln watete zwischen die Drule. Jedesmal, wenn sie die Pistolenmündung einem Drul an den Nacken setzte und den Abzug drückte, blitzte es. Wenn die Drule von der komprimierten Luft getroffen wurden, verkrampften sie sich.
    »Das waren die letzten. Und jetzt über Bord mit ihnen.«
    Auf einmal gab des Bild den Blickwinkel eines der Drule wieder. Er flog durch die Luft und krachte aufs Wasser. Ein Schwall von Luftblasen stieg um ihn auf, als er hektisch floh. Zu beiden Seiten schwammen weitere Drule, wild und wunderschön und ekstatisch.
    An Deck versammelte sich die Besatzung um zwei Projektoren. »Fahren wir die Gespensternetze doch noch einmal aus. Seht euch mal ...«
    Jemand klopfte an die Tür.
    Marivaud

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