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In Zeiten der Flut

In Zeiten der Flut

Titel: In Zeiten der Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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gehabt - die Zunge kehrte ständig zu ihm zurück, angezogen vom Schmerz. Ich konnte nicht davon lassen.
    Das Leid schwemmte wie eine gewaltige elektronische Flutwelle über den Kontinent hinweg. Es war, als habe sich ein böser Zauber auf das Land gelegt. Was eben noch farbig und wunderschön gewesen war, erschien im nächsten Moment grau und fad. Wir waren ein optimistisches, selbstbewußtes Volk gewesen. Jetzt waren wir ... entwurzelt, ohne Zukunft. Diejenigen, die stark genug waren, wegzuhören, wurden von den anderen angesteckt.
    Ich wäre verhungert, wenn mich meine Schwester nicht eine Woche lang gefüttert hätte. Sie zwang mich dazu, weiterzuleben. Anschließend lachte ich jedoch nicht mehr so viel wie früher. Einige starben. Andere verloren den Verstand. Die Beschämung war groß. Als die außerplanetarischen Mächte intervenierten und uns den letzten Rest Wissenschaft Wegnahmen, regte sich kaum Protest. Wir wußten, wir hatten es verdient. Darum ist für unsere Technik der Spätherbst vorbei, und wir sind in den ewigen Winter eingetreten.«
    Marivaud verstummte, bleich und traurig. Der Bürokrat stellte das Interaktiv ab.
    Nach einer Weile kam ein hundeköpfiger Kellner und brachte das Gerät weg.

    Der Bürokrat trank sein Bier aus, lehnte sich zurück und schaute den Surrogaten beim Essen zu. Es stimmte ihn melancholisch, mitanzusehen, wie sie Gläser hoben und Speisen kosteten, die außer ihnen niemand sehen konnte; eine perfekte, sinnlose Vorstellung. Eines der Surrogate sah zu ihm herüber.
    Als sich ihre Blicke trafen, verneigte sich das Surrogat. Es kam an seinen Tisch und nahm Platz. Der Bürokrat vermochte das grelle, ältliche Gesicht auf dem Bildschirm zunächst nicht einzuordnen. Dann schaltete sich sein in jungen Jahren erworbenes eidetisches Vorstellungsvermögen ein. »Sie sind der Krämer«, sagte er. »Aus Lightfoot. Sie heißen ... Pouffe, hab ich recht?«
    Im Grinsen des alten Mannes war ein Anflug von Wahnsinn. »Das stimmt, das stimmt. Woll'n Sie denn gar nicht wissen, wie ich Sie gefunden habe?«
    »Wie haben Sie mich gefunden?«
    »Hab Sie aufgespürt. Bin Ihnen nach Cobbs Creek gefolgt. Dann rüber nach Clay Bank, da waren Sie auch nicht. Zurück übers Gate nach Cobbs Creek, dort erfuhr ich, Sie wär'n noch nicht lange weg. Hab gewußt, daß Sie hier Station machen würden. Hab noch nie einen Außenweltler getroffen, der sich die Sehenswürdigkeiten nicht angeschaut hätte. Ich habe auf Sie gewartet.«
    »Eigentlich bin ich nur ganz zufällig hier.«
    »Aber klar doch.« Pouffe lächelte sarkastisch. »Jedenfalls habe ich Sie gefunden. Das ist nicht der einzige Ort, an dem ich auf Sie gewartet habe. Springe schon den ganzen Vormittag zwischen vier verschiedenen Gates hin und her.«
    »Das muß Sie ja eine hübsche Stange Geld kosten.«
    »Ja, Geld ist der Schlüssel.« Der alte Mann beugte sich vor und hob vielsagend die Brauen. »Eine Menge Geld. Das kostet mich eine Menge Geld. Aber ich habe genug davon. Ich bin reich, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Eigentlich nicht.«
    »Ich habe Ihren Werbespot gesehen. Den mit dem Magier, wissen Sie. Der ...«
    »Warten Sie, das ist nicht mein ...«
    »... einen ans Unterwasserleben anpassen kann. Tja, ich ...«
    »Hören Sie auf. Das ist Blödsinn.«
    »... möchte diesen Mann finden. Ich bezahle für die Information, und ich bezahle gut.« Er faßte den Bürokraten bei der Hand.
    »Ich kann Ihnen da nicht weiterhelfen!« Der Bürokrat schüttelte die Metallhand ab und erhob sich. »Selbst wenn ich wüßte, wo er sich aufhält, würde ich's Ihnen nicht sagen. Der Mann ist ein Schwindler. Er kann seine Versprechungen nicht einlösen.«
    »Im Fernsehen haben Sie was anderes behauptet.«
    »Krämer Pouffe, schauen Sie mal dorthin.« Er führte den eifrigen alten Mann ans Geländer. »Schauen Sie genau hin. Stellen Sie sich vor, wie es hier in ein paar Monaten aussehen wird. Keine Häuser mehr, nichts. Seetang, wo jetzt die Bäume stehen, und Engelshaie, die im schwarzen Wasser Jagd machen. Das Meeresgetier hatte Millionen Jahre Zeit, um sich an diese Umgebung anzupassen. Sie hingegen sind ein zivilisierter Mensch mit einem Genom, das nicht nur dem Meer, sondern diesem ganzen Sternsystem fremd ist. Selbst wenn Gregorian seine wilden Träume wahrmachen könnte - und ich versichere Ihnen, daß er das nicht kann -, wie würde Ihr Leben hier aussehen? Wovon würden Sie leben? Wie sollten Sie überleben?«
    »Verzeihen Sie«, meinte ein

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