Ina: Der Konflikt (German Edition)
Glas. Noch unangenehmer. Deshalb zog sie die Hände von der Tischplatte hinunter auf ihre Beine. Nein. Das wirkte irgendwie verlegen. Also holte sie ihre Hände wieder auf den Tisch. Wandte ihr Gesicht auf die Tischplatte. Griff mit einer Hand in ihren Nacken und knetete ihn. Ein Tropfen fiel von ihrem Gesicht auf die blanke weisse Tischplatte. Schweiss? – Nein. Eine Träne? – Ja. Sie räusperte sich: „Damit hat niemand gerechnet“, ihre Stimme war klar und deutlich. Damit hatte sie nicht gerechnet. „Die Vorsitzende. – Obwohl sie nicht über jeden unserer Schritte informiert war, stand sie dahinter. Sie wollte keinen Krieg gegen die Tuma.“ Ina fuhr mit ihrem Zeigefinger durch die einzelne Träne, welche auf dem Tisch lag. Verzog sie über die Platte. Es wirkte wie ein Fluss. Sie schüttelte ihren Kopf. Ein Fluss! Wie kam sie jetzt auf einen Fluss?! Sie zwang sich ihre Gedanken einigermassen zu ordnen. Zumindest soweit, dass sie sich selbst folgen konnte. Aber was sollte sie den Tuma sagen? Was durfte sie ihnen sagen? Wobei, eigentlich spielte es jetzt keine Rolle mehr. – Sie und Demir waren jetzt zertifizierte Verräter! „Unser – Nein. Oder doch“, sie atmete tief ein: „Unser Plan war, abzuwarten bis sich die Situation auf Seran beruhigt hat. Die Gespräche sollten wieder aufgenommen werden.“ Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. Was hatte sie gerade gesagt? Sie wusste es nicht mehr. Hatte den Zusammenhang verloren. Aber Achri wartete geduldig, unterbrach sie nicht. Würde er ihr doch bloss eine Frage stellen. Eine präzise Frage auf die sie antworten konnte.
„Was das bedeutet? – Es bedeutet, dass der ganze Plan so lange funktioniert hat und im letzten Moment gescheitert ist. Es bedeutet, dass Sebiha, Demir und die beiden Yerko's so sehr auf die Verhandlungen und den Frieden mit ihnen fixiert waren, dass sie nicht bemerkten, was auf Seran geschah. Dass es nicht einmal die Vorsitzende selbst bemerkte.“ Wieder strich sie mit ihrem Finger durch die Träne. Beziehungsweise durch den Fluss. Sie bahnte eine Verzweigung. Einen zweiten Fluss, der parallel zuem ersten verlief. „Der Senat war sich nicht einig. Wir gingen davon aus, dass es Sefo wäre, der so laut schrie, dass er alle anderen übertönte. Aber wir haben uns geirrt. – Es war nicht nur Sefo. Es waren mehr. – Mehr als wir jemals angenommen hätten.“ Mit einer Haarsträhne, die sie sich um einen Finger gewickelt hatte, schnürte sie sich das Blut darin ab. Sie entwickelte den Finger und zog die Strähne gerade. „Ich glaube es bedeutet, dass ich und Demir Verräter sind und nie mehr nach Seran zurückkehren können. Ich glaube, dass wir damit alles noch schlimmer gemacht haben. Es sieht nun so aus, als hätten wir uns mit ihnen verbündet. – Was irgendwie auch stimmt. Aber im Grunde taten wir es für Seran. Nur irgendwie eben“, was sagte sie? Konnte ihr überhaupt irgendjemand folgen? Würde sie selbst es verstehen, wenn sie diesem Geplapper zuhören müsste? Wohl nicht. Zusammenhänge. Sie musste zusammenhängende Dinge sagen. Nicht irgendwie, nicht aber. „Es bedeutet, dass sich der Senat gegen die Vorsitzende aufgelehnt hat. Oder doch nicht? – Nein. Vergessen sie das. – Es bedeutet, dass General Nilia vorübergehend die volle Kontrolle über alles hat. Seran steht unter militärischer Herrschaft.“ Was bedeutete es noch? Sie hatte doch selbst keine Ahnung. „Irgendwann wird ein neuer Vorsitzender gewählt. – Das heisst, sobald der Senat wieder einberufen wird. Es ist zu befürchten, dass die Wahl auf jemanden fällt der, – Man wird einen starken Vorsitzenden wählen.“ Ihr Finger formte einen dritten Fluss aus der Träne. Drei Flüsse aus einer Träne? – Nein. Es war mehr als nur eine Träne. „Es bedeutet Krieg.“ War das wahr?! – Ihre Stimme wurde kräftiger: „Es bedeutet keine weiteren Gespräche. – Es bedeutet, dass sie keine Zeit verschwenden sollten. Sichern sie ihre Grenzen. Holen sie alle verfügbaren Schiffe und bereiten sie sich auf einen Krieg vor. Und wenn sie einem seranischen Schiff begegnen, dann schiessen sie zuerst. – Seran hat sich bisher nicht vernünftig gezeigt. Aber ohne unsere Vorsitzende sind wir unberechenbar. – Unberechenbare, schiesswütige Narren.“ Hatte sie das wirklich gesagt? Sie richtete sich in ihrem Stuhl auf. Sah in Achri’s Augen. Er stützte seine Ellbogen auf dem Tisch auf, hielt eine geballte Faust vor seinen Mund und stabilisierte diese mit seiner
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