INAGI - Kristalladern
nur, dass du keine Ahnung hast, Oza.« Er lächelte spöttisch. »Aber um das Spiel schätzen zu können, müsstest du ja deinen kleinen Verstand anstrengen.«
Ihre Augen verengten sich wütend und sie holte bedrohlich Luft.
Kanhiro unterdrückte ein Seufzen. Hätte die friedliche Ruhe nicht noch ein wenig länger andauern können? »Wir werden nicht mehr als ein oder zwei Partien spielen, Ozami«, versicherte er, bevor sie zu einer Entgegnung ansetzen konnte. »Versprochen.«
Sofort glättete sich ihr Gesicht. Unter ihren langen Wimpern warf sie ihm einen abwägenden Blick zu. »Also schön«, sagte sie süß. »Aber zum Ausgleich musst du anschließend mit mir am Fluss spazieren gehst, Kanhiro.«
»Darüber lässt sich reden«, stimmte er überrumpelt zu und bereute es im selben Moment. Sie meinte doch nicht etwa sie beide allein ? Ozamis zufriedenes Lächeln und das Schnauben seines Freundes bestätigtem ihm, dass er ihr unwillentlich in die Hände gespielt hatte. Er schoss Tasuke einen wütenden Blick zu. Wenn dieser seine Schwester nicht provoziert hätte, säße er jetzt nicht in der Patsche.
Kenjin und Seiichi sprangen auf, um ihr Glück beim Fischen zu versuchen. Ozami blieb sitzen, aber sie sah nicht besonders froh aus. Nach einer Weile stand sie ebenfalls auf und begann, in der Nähe Blumen zu pflücken. Ein unerwarteter Windstoß brachte ihre Haare durcheinander und stieß beinahe die Spielfiguren vom Brett. Kanhiro warf einen Blick zum Himmel. Die Wolken waren dichter geworden und eher grau als weiß. Wenn er Glück hatte, würde das Wetter ihn vor dem Spaziergang retten.
»Wie lange wollt ihr denn noch spielen?« erklang Ozamis ungeduldige Stimme eine Weile später.
Kanhiro sah auf. Er war so in das Spiel vertieft gewesen, dass er gar nicht gemerkt hatte, dass sie mit einem Strauß Wildblumen in der Hand zurückgekehrt war. »Wir sind gleich fertig.«
Ozami setzte sich seufzend neben sie und begann, den Strauß zu arrangieren. »Du hast versprochen, mit mir spazieren zu gehen, Kanhiro«, erinnerte sie ihn.
Er zuckte innerlich zusammen. Was sollte er tun? Hilfe suchend sah er Tasuke an.
»Du nervst, Oza«, knurrte sein Freund. »Lass uns wenigstens in Ruhe zu Ende spielen, ich bin gerade am Gewinnen. Dann können wir meinetwegen spazieren gehen.«
Kanhiro unterdrückte ein erleichtertes Lächeln. Zu dritt war ein Spaziergang unverfänglich. Ozami hingegen schoss ihrem Bruder einen giftigen Blick zu, der keinen Zweifel daran ließ, dass sie ihn für seine Einmischung zur Hölle wünschte. »Dann beeilt euch«, sagte sie spitz.
Kaum hatten er und Tasuke ihre Partie beendet, fielen die ersten Regentropfen vom Himmel. Umso besser. Sein Freund lehnte sich lässig zurück. »Tut mir leid, Schwesterherz, aber aus dem Spaziergang wird wohl nichts«, meinte er ohne das geringste Bedauern. Ozami funkelte ihn an, als gäbe sie ihm persönlich die Schuld daran, dass nun auch noch das Wetter ihren Plan vereitelte. Tasuke grinste nur.
Während sie in aller Eile den Korb einräumten, kehrten die Jungen im Laufschritt vom Fischen zurück. Tasukes Bruder trug ihren Fang stolz über der Schulter. »Seht mal, was es morgen zum Essen –« Ein heftiger Hustenanfall schnitt ihn mitten im Satz ab. Der Husten schüttelte seinen Körper so hartnäckig, bis Seiichi auf die Knie sank. Auf seiner Stirn standen feine Schweißperlen.
Kenjin beugte sich erschrocken vor und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Sei!«
»Geht schon«, keuchte dieser, sobald er wieder Luft bekam. Matt fuhr er sich mit dem Ärmel übers Gesicht. »Hab‘ mich nur verschluckt.«
Seine Geschwister sahen sich schweigend an. Ihr Streit war vergessen. Sie wussten nur zu gut, dass es mehr war als das, auch wenn Seiichi sich Mühe gab, die Sache herunterzuspielen. Aber es war nicht der erste Anfall dieser Art. Erst vor wenigen Monden war sein Husten, der ihn seit dem zeitigen Frühjahr verfolgt hatte, endlich abgeklungen, nur um kurz nach der Sonnenwende erneut auszubrechen. Eine einfache Erkältung konnte unmöglich so hartnäckig sein.
Tasuke presste den Kiefer zusammen. In seinem Gesicht spiegelte sich eine Mischung aus Abwehr und Verzweiflung, als versuchte er mit allen Mitteln zu leugnen, was er nicht wahrhaben wollte. Seine Schwester senkte den Kopf. Sie schien mit den Tränen zu kämpfen, während sie sich langsam daran machte, die Decke zusammenzufalten. Kenjin stand mit hängenden Schultern neben seinem Freund, bevor er sich steif
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