INAGI - Kristalladern
dafür brauchen wir jeden Mann und jeden Jungen, der kämpfen kann.«
Tasuke zog die Brauen zusammen. »Ein hauchdünner Vorteil, wenn überhaupt«, meinte er. »Keiner von uns hat eine Kampfausbildung. Selbst der schwächste Kireshi kann es locker mit fünf von unsern Männern aufnehmen.«
»Das sehe ich nicht so«, widersprach Kanhiro. »Zumindest sind wir den Kireshi durch unsere Arbeit in der Mine an Muskelkraft ebenbürtig. Und du darfst die Wut nicht unterschätzen, die sich in den meisten von uns angestaut hat.«
Sein Freund gab ein schnaubendes Geräusch von sich. »Wenn es danach ginge, würden die Gohari umfallen wie Spielfiguren! Aber mit Muskelkraft und Wut allein kommen wir leider nicht weit. Selbst wenn wir jeden im Dorf, der auch nur annähernd in der Lage ist, eine Waffe zu halten, für unsere Sache gewinnen, haben wir höchstens dann eine Chance, wenn wir die Gohari irgendwie überrumpeln.«
Kanhiro musste sich eingestehen, dass Tasuke Recht hatte. Die einzige Möglichkeit, die mangelnden Kampffertigkeiten der Dorfbewohner auszugleichen und ihren zahlenmäßigen Vorteil wirksam auszuspielen, bestand in einem Überraschungsangriff. Sie mussten schnell und hart zuschlagen, durften ihren Feinden keine Zeit lassen, sich zu formieren. »Also hängt der Erfolg umso mehr von der Planung ab. Da fällt mir ein: ich habe Ishira gebeten, für uns die Augen offen zu halten, als sie das letzte Mal hier war.«
Sein Freund sah ihn überrascht an. »Du warst dir deiner Sache wirklich von Anfang an sicher.«
Kanhiro hob die Schultern. »Ich dachte, wenn ich etwas Handfestes vorzuweisen hätte, würde es dich vielleicht überzeugen.«
Tasuke fuhr sich durch die Haare. »Und wie soll es jetzt weitergehen? Warten wir, bis Ishira wiederkommt?«
»Wir können bis dahin bereits zusammentragen, was wir über die Gohari hier in Soshime wissen, und uns überlegen, wie wir sie am besten angreifen«, erwiderte Kanhiro. »Dafür brauchen wir Ishiras Informationen nicht unbedingt. Und wir sollten vorsichtig versuchen herauszufinden, wie die anderen im Dorf zu unserem Vorhaben stehen.«
»Vielleicht sollten wir mit meinem Vater sprechen«, schlug sein Freund vor. »Er wird uns bestimmt helfen.«
»Einverstanden«, stimmte Kanhiro zu. Es konnte nicht schaden, einen Älteren an ihrer Seite zu haben. Hätte sein eigener Vater noch gelebt, hätte er sich auch zuerst an ihn gewandt.
Kapitel XVIII – Duell im Gewitter
LUSTLOS stocherte Ishira in ihrer Schale herum und beobachtete unter gesenkten Lidern Kiresh Yaren, der auf der anderen Seite des Lagerfeuers saß. Ein Bein aufgestellt und den Rücken in beinahe derselben Weise an den Stamm des Bantan gelehnt, wie Rondar es oft getan hatte, schaufelte er schweigend das Essen in sich hinein, das sie zubereitet hatte. Auch wenn er nichts gesagt hatte, war aus seinem Verhalten deutlich genug heraus zu lesen gewesen, was er von ihr erwartete. Ishira hatte allerdings ihre Zweifel, ob er überhaupt schmeckte, was er aß. Sein Blick war leer und entrückt, als wäre er mit seinen Gedanken weit fort.
Sie unterdrückte ein Seufzen. Mit ihm als Begleiter hatte sich einiges geändert. Er behandelte sie mit genau der kühlen Gleichgültigkeit, die von einem Gohari zu erwarten war. Natürlich war ihr bewusst, dass Rondar in dieser Hinsicht eine große Ausnahme dargestellt hatte, aber das machte ihr nur umso schmerzlicher bewusst, welch unglaubliches Glück sie mit ihm gehabt und was sie durch seinen Tod verloren hatte. Kiresh Yaren ließ sie keinen Tag vergessen, wie sehr er seine neue Aufgabe verabscheute, die er einzig und allein seinem Lehrer zuliebe übernommen hatte. Er sprach kaum das Nötigste und überließ sie die meiste Zeit sich selbst – zumindest solange er davon ausgehen konnte, dass seine Aufsicht nicht vonnöten war. In Noroko hatte er nicht ein einziges Mal eine Mahlzeit gemeinsam mit ihr eingenommen. Stattdessen hatte er den Wirt angewiesen, Frühstück und Abendessen auf ihr Zimmer zu schicken. Ishira hatte ihn nur gesehen, wenn er sie zur Mine brachte und von dort wieder abholte. Einige Tage lang hatte er sie, wie zu Anfang auch Rondar, ins Bergwerk begleitet. Die meiste Zeit hatte er mit verschränkten Armen an der Felswand gelehnt wie ein dämonischer Schatten, das Gesicht so reglos wie das Gestein um ihn herum. Falls er, wie sie vermutete, eine Energieeruption hatte miterleben wollen, war ihm das Glück hold gewesen. In der letzten Mine hatte sich eine solche
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