INAGI - Kristalladern
Gohari wohlwollender denkt als früher, aber das ändert nichts daran, dass sie zu uns gehört. Ishira würde nie so weit gehen, sich von uns abzuwenden. Sie hat zugesagt, uns zu helfen, und das wird sie auch tun. Und ganz gewiss wird sie uns nicht verraten.«
Kogen hob die Brauen. »Ohne dich beleidigen zu wollen, Kanhiro, aber das ist deine Meinung, und wir alle wissen doch, wie du zu Ishira stehst.«
Kanhiro schnaubte. »Willst du damit sagen, ich sei vor Liebe blind? Na schön, vielleicht bin ich das. Aber hat Ishira jemals einem von uns Anlass gegeben, ihr nicht zu vertrauen? Ich wüsste nicht. Davon abgesehen: was sind denn unsere Alternativen? Sie ist unsere einzige Chance, an die Informationen zu kommen, die wir brauchen. Das weißt du nur zu gut.«
»Ja, das weiß ich.« Um Kogens Mund zuckte der Ansatz eines bitteren Lächelns. »Wahrscheinlich ist deine Freundin nicht einmal das größte Risiko. Genau genommen ist das ganze Vorhaben eine einzige Torheit. Aber wie du sagst: Entweder wir gehen das Wagnis ein oder wir tanzen bis in alle Ewigkeit nach den Gongschlägen der Gohari.«
»Das heißt, wir können auf dich zählen, Kogen?« vergewisserte sich Kanhiro.
Tasukes Vater nickte langsam. »Sofern sich auf Ishiras Informationen eine erfolgversprechende Strategie aufbauen lässt«, schränkte er ein. Er trank seinen letzten Schluck Tee aus und stand auf. »Ich lasse euch jetzt besser allein. Die Jungen werden jeden Moment nach Hause kommen und wir geben ihnen besser keinen Anlass zu neugierigen Fragen. Nicht, solange noch kein Grund besteht, sie einzuweihen.«
Nachdem er gegangen war, holte Kanhiro das Ujibobrett aus dem Regal. Wenn Kenjin das Spiel sah, würde er glauben, Tasuke wäre deswegen herübergekommen. Er machte es sich neben seinem Freund bequem und stellte mit ihm zusammen die Figuren auf. »Dein Vater ist vorsichtig«, bemerkte er.
Tasuke sah ihn forschend an. »Nimmst du Koru übel, dass er Ishira kritisiert hat?«
Kanhiro seufzte. »Nicht wirklich. Aus seiner Sicht hat er vermutlich sogar Recht. Er kennt Ishira nicht so gut wie ich.« Er platzierte einen seiner Steine auf einem schwarzen Feld. »Was hast du eigentlich in Erfahrung bringen können, als du mit Seiichi gestern im Haus des Heilens warst?«
Tasuke wusste sofort, dass er nicht von seinem Bruder sprach. Keiner von ihnen glaubte, dass die goharischen Heiler etwas gegen Seiichis Husten ausrichten konnten. Er hatte ihn auch nicht deshalb dorthin gebracht, sondern weil es eine unverfängliche Möglichkeit gewesen war, sich noch einmal genauer im Fort umzuschauen. »Dass wir uns die Idee, in der Nacht anzugreifen und die Waffen der Kireshi zu erbeuten, aus dem Kopf schlagen können«, gab er zu Antwort.
»Wieso?« wollte Kanhiro wissen.
Sein Freund spielte gedankenverloren mit den Steinen in seiner Hand. »Weil wir gar nicht erst ins Fort hineinkommen. Am Tor ist Schluss. Es ist von innen genauso mit einem dicken Balken gesichert wie unseres von außen. Das bekommen wir nicht auf.« Er beugte sich vor, um die Figuren auf das Brett zu stellen. »Und die Palisaden liegen immer im Sichtbereich irgendeines Wachturms. Wenn die Kireshi uns entdecken, hängen wir wie Fische am Haken.«
»Und wenn wir uns in den Schatten halten?«
»Gut, einem oder zwei von uns könnte es vielleicht gelingen, ungesehen über die Palisaden zu klettern«, gab sein Freund zu. »Aber das Tor ist gut beleuchtet. Das Risiko ist zu groß, dass die Gohari uns bemerken, sobald wir uns am Balken zu schaffen machen. Vielleicht ist das Tor nachts sogar von innen bewacht. Außerdem habe ich in der Nähe nichts entdecken können, das wie Lagerhäuser aussieht. Es könnte gut sein, dass wir die Gefahr völlig umsonst auf uns nehmen. Auf jeden Fall bleibt uns keine Zeit, lange nach Waffen zu suchen.«
Kanhiro rieb sich die Nase. »Also scheidet diese Möglichkeit wohl wirklich aus. Zu unwägbar, das Ganze. Mit anderen Worten bleiben uns nur unsere Werkzeuge, sofern wir nicht mit Steinen und Kochtöpfen auf die Gohari losgehen wollen. Damit kommt für einen Angriff nur die Zeit kurz vor oder nach der Arbeit – «
Er verstummte, als sein Freund warnend die Hand hob und lauschte. »Ich glaube, Kenjin kommt.«
Als Ishiras Bruder einen Augenblick später die Tür öffnete, fand er Kanhiro und Tasuke scheinbar völlig in ihr Spiel versunken vor.
* * *
Yaren hatte Rondars Braunen gezügelt und blickte düster auf die Siedlung, die im strahlenden Sonnenschein unter
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