INAGI - Kristalladern
ein wenig erholt habt.«
Yaren holte bedächtig Atem und ließ ihn ebenso bedächtig ausströmen. »Das könnte dir so passen. Glaub ja nicht, du könntest vom Thema ablenken«, warnte er sie. Er presste seine Fingerknöchel gegen die Stirn. Wenn seine Gedanken nur nicht so verschwommen wären! Die Frage, die er dem Mädchen stellen wollte, hatte etwas mit dem Angriff zu tun – nein, mit etwas, das noch weiter zurücklag. Ihrer Warnung. Seine jahrelange Kampferfahrung hatte ihn den Amanori gegenüber sensibel gemacht, sonst hätte er niemals so lange überlebt. Dennoch hatte er ihren Gegner nicht bemerkt. Der Drache war noch zu weit entfernt gewesen. Natürlich hatte er der Sklavin aufgetragen, den Himmel zu beobachten, aber hatte sie wirklich einfach zufällig im richtigen Moment nach oben geschaut? »Hast du die Präsenz des Drachen bemerkt, bevor du ihn gesehen hast?«
Ihre Finger verharrten. »Nein, Deiro«, erwiderte sie, ohne ihn anzusehen.
Yaren glaubte ihr nicht. Ihr Körper sagte ihm etwas anderes. Ihre Haltung wirkte zu steif, zu bemüht. Er packte ihr Kinn und drehte ihren Kopf, bis sie ihn ansehen musste. Ihre Pupillen hatten sich vor Schreck geweitet. »Du hast es gewusst.«
Er spürte, wie sie versuchte, den Kopf zu schütteln. »Nein«, wiederholte sie zittrig.
Yaren verlor die Geduld. Er verstärkte seinen Griff. »Lüg mich nicht an!«
Die Sklavin schluckte hörbar. In ihren Augen glomm etwas wie Verzweiflung auf. Er glaubte schon, sie würde weiterhin leugnen, doch unvermittelt fiel ihre Miene in sich zusammen. »Ja, ich habe etwas gespürt«, gab sie flüsternd zu.
Yaren durchzuckte es bis in die Fingerspitzen. Er hatte Recht gehabt! Seine Kopfschmerzen waren vergessen. Er gab das Mädchen frei und lehnte sich zurück. »Ich höre.«
In einer Geste der Resignation schloss sie einen Moment lang die Augen, bevor sie ihm antwortete.
Kapitel XX – Yarens Geschichte
KANHIRO und Tasuke nutzten einen der gemeinsamen Angelabende ihrer Brüder, um mit Kogen ungestört das geplante Gespräch zu führen und seine Meinung zu ihren Plänen zu hören. Sie hatten sich in Kanhiros Wohnraum niedergelassen, er auf einer Seite der Bank, sein Freund und dessen Vater ihm gegenüber. Tasuke hatte locker das linke Bein aufgestellt und balancierte seine Teeschale auf dem Knie, während er die Reaktion seines Vaters beobachtete. Sie fiel nicht ganz so aus, wie Kanhiro erwartet hatte. Zwar stand Kogen der Idee eines Aufstands durchaus nicht ablehnend gegenüber; das Problem war Ishiras Beteiligung. Offenbar hatte ihr Bruder sich bei seinem Freund darüber ausgeklagt, dass sie sich von den Gohari derart hatte manipulieren lassen, dass sie anfing, ihren Feinden gute Seiten zuzugestehen, und Seiichi hatte nichts Besseres zu tun gehabt, als seinen Eltern davon zu erzählen. Das Ergebnis war, dass Tasukes Vater nunmehr Zweifel anmeldete, ob man Ishira uneingeschränkt vertrauen konnte. »Immerhin ist sie zur Hälfte selbst eine Gohara«, gab er zu bedenken. »Vielen im Dorf ist das bereits Grund genug, ihr mit Misstrauen zu begegnen.« Kanhiro presste die Lippen zusammen. Reichte Kogen das etwa auch? Sollte er sich in Tasukes Vater getäuscht haben?
Kogen lächelte flüchtig, als hätte er seine Gedanken erraten. »Zu diesen Leuten gehöre ich nicht, falls dich das beruhigt. Aber Ishira war hier im Dorf wegen ihrer Herkunft ihr Leben lang Anfeindungen ausgesetzt. Solche Demütigungen graben sich tief in die Seele ein. Deine Freundin wird sie nicht vergessen. Auch wenn sie sagt, dass sie gegen niemanden Groll hegt, wird es sie im Stillen verfolgen. Die Gohari können das leicht zu ihrem Vorteil nutzen. Sie brauchen nur ein wenig Freundlichkeit und Verständnis vorzutäuschen, um Ishira mehr und mehr auf ihre Seite zu ziehen, soweit es ihren Zwecken dient.«
Als Kanhiro protestieren wollte, hob Kogen die Hand. »Frag dich einmal folgendes: Mit wem verbringt Ishira unterwegs die meiste Zeit? Wer kann uneingeschränkt Einfluss auf sie ausüben? Wohl doch dieser Bakouran. Und augenscheinlich hat seine Taktik bereits Erfolg. Du musst zugeben, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass Ishira den Verlockungen dieser neuen Welt immer mehr erliegt. Vielleicht sogar, ohne dass es ihr richtig bewusst wird.«
Kanhiros Augen verengten sich abweisend. »So naiv ist sie nicht«, verteidigte er seine Freundin. »Kann schon sein, dass sie sich zu diesem Rondar hingezogen fühlt, weil sie einsam ist, und deshalb über die
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