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INAGI - Kristalladern

INAGI - Kristalladern

Titel: INAGI - Kristalladern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Strunk
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eingeschlagen, bis der arme Kerl besinnungslos am Boden lag. Kanhiro war nicht der einzige gewesen, der Zeuge von Henroths brutalem Vorgehen geworden war. Aber als Einziger hatte er es gewagt, sich dem Anreshir entgegenzustellen. Ishira war schier das Herz stehengeblieben, als er sich plötzlich mit zornfunkelnden Augen vor Henroth aufgebaut und dessen Peitsche festgehalten hatte. Schreckerstarrt hatte sie daneben gestanden, die Hand hilflos nach Kanhiros Arm ausgestreckt, seinen Namen auf den Lippen. Doch es war zu spät gewesen.
    Zur Strafe für sein Aufbegehren hatte der Anreshir ihrem Freund eigenhändig fünfzig Peitschenhiebe versetzt und das gesamte Dorf gezwungen zuzusehen. Es war grauenhaft gewesen. Henroth hatte sich in einen Rausch hineingesteigert und es geradezu genossen, die Peitsche immer wieder auf Kanhiros nackten Rücken niedersausen zu lassen, selbst als dessen Haut bereits in Fetzen hing. Ishiras Magen hatte rebelliert, als sie das viele Blut sah, das über Kanhiros Rücken und seine Beine geströmt war und den Sand zu seinen Füßen rot gefärbt hatte. Als der Anreshir endlich von ihm abließ, war sie einen schrecklichen Moment lang davon überzeugt gewesen, dass ihr Freund tot war. Tatsächlich stand sein Leben auf Messers Schneide und er hatte tagelang hohes Fieber. Ishira saß jeden Abend bis weit in die Nacht hinein bei ihm. Manchmal musste sein Vater sie förmlich mit Gewalt von seinem Lager wegholen. Endlich siegte Kanhiros Lebenswille und das Fieber sank, doch es dauerte Monde, bis die tiefen Wunden verheilt waren und er wieder arbeiten konnte. Die Narben auf seinem Rücken würden ihn sein Leben lang zeichnen.
    Henroth war kurz darauf durch Bilar abgelöst worden. Den Grund hatten die Inagiri nie erfahren, aber möglicherweise war sein Verhalten selbst dem Hemak zu weit gegangen. Es nützte den Gohari wenig, wenn sie ihre Arbeiter zu Tode prügelten. Doch trotz allem war Ishira damals dankbar gewesen, dass Henroth über Kanhiro nicht die Strafe verhängt hatte, die die Gohari in seinem Fall normalerweise angewendet hätten: die Kristallader zu trennen – so oft, bis Shigen zuschlug. Eine Todesstrafe, deren Vollstreckung sich über Jahre hinziehen konnte.
    »He, Mädchen, träum nicht!«
    Ishira schrak zusammen, als der Anreshir sie zum Streb winkte. Sie war so in ihren Erinnerungen verloren gewesen, dass sie gar nicht gemerkt hatte, dass Kanhiro inzwischen mit dem zweiten Sprengloch fertig war. Eilends lief zu den beiden Männern hinüber. Zum Glück war Bilar im Gegensatz zu seinem Vorgänger keiner, der gleich die Peitsche sprechen ließ!
    Der Anreshir holte eine papierumwickelte Rolle aus seiner Tasche. »Das hier sind die Sprengrollen«, erklärte er.
    Obwohl Ishira eine Weile als Trägerin gearbeitet hatte, war es das erste Mal, dass sie die Sprengrollen mit eigenen Augen sah. Sie waren etwa zwei Fingerbreit dick und so lang wie ihre Hand. Gefüllt waren sie mit irgendeinem Pulver, das die Gohari nach ihrem Feuergott ‚ Kaddor ‘ nannten. Aus einem Ende ragte eine lange, dünne Schnur, die um eine Hälfte der Rolle herum aufgewickelt war.
    Der Anreshir zeigte darauf. »Die Zündschnur. Nachdem ihr die Sprengrolle im Loch platziert habt, wickelt ihr die Schnur vorsichtig ab. Ich werde es euch zeigen.« Er steckte die Sprengrolle, die er in der Hand hielt, in das obere Loch und prüfte, ob sie fest saß. Dann wickelte er langsam die Schnur ab und entfernte sich dabei von der Felswand. Das Ende der Zündschnur legte er auf dem Boden ab. »Platziert die Zündschnüre nebeneinander und zündet sie am äußersten Ende an. Dann kommt unverzüglich zu mir hinter das Holzgestell. Noch Fragen?«
    Ishira schüttelte den Kopf und für Kanhiro war das Ganze ohnehin nicht neu. Der Anreshir reichte ihr eine weitere Sprengrolle. Ishira nahm sie so behutsam entgegen wie ein rohes Ei. Sie kniete sich auf den Boden und befestigte die Rolle im unteren Loch, wie sie es bei Bilar gesehen hatte. Als sie die Zündschnür abgewickelt und neben der ersten abgelegt hatte, gab der Anreshir ihrem Freund zwei Zündholzer und entfernte sich.
    »Geh schon vor, Shira!« kommandierte Kanhiro. »Ich komme nach, sobald ich die Rollen gezündet habe.«
    Ishira nickte. Als sie das Holzgestell erreichte, hörte sie, wie er eines der Zündholzer anriss. Drei Herzschläge später war er neben ihr. »Halte dir lieber die Ohren zu«, riet er ihr.

    * * *

    Ein Krachen wie ein Donnerschlag dröhnte durch den Stollen und

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