INAGI - Kristalladern
darüber zu spekulieren, ob seine Freundin die Richtige für die Aufgabe war. Sie war die Einzige . »Vielleicht warten die Bergleute andernorts ja auf genau dieselbe Gelegenheit wie wir und es bedarf gar keiner großen Überredungskunst mehr«, meinte er.
Sein Freund stellte den Spielstein zurück. »Kann schon sein. Trotzdem ist die ganze Idee purer Wahnsinn. Die Gohari sind extrem starke und gefährliche Gegner. Wie sollen wir gegen sie ankommen, selbst wenn wir mehr über sie wissen oder uns mit anderen Inagiri verbünden? Nicht mal unseren Vorfahren ist das gelungen und die wussten garantiert besser, wie man kämpft. Und wenn wir scheitern, wird alles noch schlimmer als jetzt – das ist dir hoffentlich auch klar.«
Tasukes Bedenken waren fraglos vernünftig und natürlich hatte Kanhiro nicht vor, sich blindlings ins Verderben zu stürzen. Doch sein Entschluss stand fest. Er würde sein Leben nicht als Sklave beschließen. »Natürlich ist mir das klar«, gab er zurück. »Und ich behaupte auch nicht, dass unsere Chancen besonders gut stünden. Ich sage nur, dass es eine Chance gibt .« Er verzog grimmig den Mund. »Ich will wenigstens versuchen , etwas zu verändern, Tasuke. Vielleicht gehe ich bei dem Versuch drauf, ja. Aber lieber sterbe ich im Kampf als in der Mine.«
Sein Freund senkte den Kopf. Kanhiro sah ihm an, dass er ihm im Grunde zustimmte, doch er verstand sein Zögern. Für Tasuke war es nicht so einfach, eine Entscheidung zu treffen wie für ihn. Es war eine Sache, für den Kampf um Freiheit den eigenen Tod in Kauf zu nehmen, eine ganz andere, das Leben seiner gesamten Familie aufs Spiel zu setzen.
* * *
Die Sonne stand tief im Westen und hüllte das Plateau in mildes Licht. Die vereinzelt aufragenden Felsen warfen lange Schatten auf den kargen Boden, der nur mit hartem, scharfrandigem Gras und Flechten bewachsen war. Der Wind hatte sich zum Abend gelegt und bewegte kaum die Halme. Aus seinem Versteck unter einem überhängenden Felsen beobachtete Yaren die Höhle auf der anderen Seite. Ihr Eingang lag in Richtung Sonnenuntergang.
Gestern hatte er den Amanori endlich aufgespürt. Er war in der Nähe auf Krallenspuren gestoßen und ihnen bis zur Höhle gefolgt. Der Drache war nicht da gewesen. Yaren hatte die Höhle und ihre Umgebung ausgekundschaftet und seine Vermutung bestätigt gefunden, dass es sich bei dem Amanori um ein allein lebendes Exemplar handelte. Er hatte keine Spuren anderer Drachen gefunden und auch die abgenagten Tierknochen in der Höhle ließen auf nur einen einzigen Bewohner schließen.
Yaren hatte sich sein weiteres Vorgehen gut überlegt. Über der Höhle stieg der Berg mehrere hundert Meter steil an, so dass es unmöglich war, über den Eingang zu gelangen. Ein Angriff oder eine Falle von oben kamen also nicht in Betracht. Aber er konnte sich den Sonnenstand zunutze machen. Er hatte die Felsnische, in der er kauerte, als Beobachtungsposten ausgewählt, da sie ihm einen ungehinderten Blick auf die Höhle gewährte, der mit hängenden Flechten bewachsene Überhang ihn aber zugleich vor den Augen des Drachen verbarg. Dieser war vor einiger Zeit am westlichen Himmel aufgetaucht und mit einem toten Higiro in den Klauen in der Höhle verschwunden. Es war ein gewaltiges männliches Tier. Yaren machte sich nichts vor. Der Kampf würde keine einfache Sache werden.
Bisher war das Biest nicht wieder aus seinem Unterschlupf gekommen, aber Yaren würde es schon herauslocken. Er hatte den Zeitpunkt für seinen Angriff genau geplant. Die Sonne schien jetzt beinahe direkt auf den Höhleneingang. Der Amanori würde von ihren Strahlen geblendet werden und Schwierigkeiten haben, seinen Angreifer deutlich zu sehen. Außerdem würde er nach seinem Mahl träge und schläfrig sein. Yaren nickte mit grimmiger Befriedigung. Alles passte perfekt. Mit einem Quäntchen Glück würde das Ungeheuer auch die Schlinge nicht bemerken, die er geknüpft hatte. Sie bestand aus den starken Fasern der Lianen, die in den tieferen Bergregionen wuchsen, und konnte einen Amanori eine kurze Zeit lang festhalten. Es würde reichen, um ihm den Vorteil zu verschaffen, den er brauchte.
Während seiner Ausbildung zum Kiresh hatte Yaren gelernt, dass er einen Drachen nur mit dem Kesh als Waffe kaum besiegen konnte – jedenfalls nicht, wenn er ihm allein gegenüberstand. Höchstens bei einem jungen, unerfahrenen Tier überlebte man so einen Kampf unbeschadet. Die Amanori waren wendige Kämpfer, die ihre Beute
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