INAGI - Kristalladern
Unerwartetes Wiedersehen
YAREN war erleichtert, als er in der hereinbrechenden Abenddämmerung die Lichter Ebosagis sah. Trotz der Salbe hatte sich die Wunde entzündet. Sein Arm brannte wie Feuer und schmerzte bei jeder Bewegung. In der Nacht hatte ihn Schüttelfrost überfallen und auch jetzt fühlte er sich fiebrig.
Die Kireshi am Tor erkannten ihn wieder. Er war in den letzten Jahren einige Male hier gewesen und bei dem, was er tat, blieb es nicht aus, dass ihm ein gewisser Ruf vorauseilte. Außerdem konnte nur ein Blinder sein Lederhalsband übersehen, auf dem dicht an dicht die Zähne der erlegten Amanori aufgefädelt waren.
»Gruß Euch, Drachenjäger!« rief einer der beiden. »Ich hoffe, Ihr hattet Erfolg!«
Yaren zuckte unbedacht mit den Schultern und bereute die Bewegung im selben Augenblick, als ein heftiger Schmerz von seinem rechten Oberarm bis zum Handgelenk schoss.
Dem Wächter entging seine schmerzvoll verzogene Miene nicht. »Ihr seht nicht besonders wohl aus, wenn Ihr mir die Bemerkung verzeiht«, sagte er vorsichtig. »Ihr solltet Eure Verletzung besser einem Heiler zeigen.«
Yaren nickte nur vage. Ein Heiler war so ziemlich das Letzte, was er gebrauchen konnte.
»Ihr habt Glück«, fuhr der Mann ungefragt fort. »Seit drei Monden wird unser Haus des Heilens von Mebilor bel Roshtar geleitet. Nach dem zu urteilen, was man so über ihn hört, muss er außerordentlich fähig sein.«
Yaren murmelte einen Dank und ließ den Wächter stehen. Mebilor war hier? Wie viel Pech konnte er noch haben? Er hatte den Heiler seit Jahren nicht gesehen. Nicht, seit er Hakkon den Rücken gekehrt hatte. Ungebeten brachen die alten Erinnerungen auf. Er verdankte Mebilor sein Leben, aber manchmal fragte er sich, ob es nicht ein gnädigeres Schicksal gewesen wäre, in Hakkon zu sterben. Schon um der Vergangenheit willen zog er es vor, dem Heiler nicht über den Weg zu laufen.
In der Herberge brachte Yaren sein Gepäck aufs Zimmer und zog seine Rüstung aus. Es kostete ihn einige Mühe, die Verschlussbänder zu lösen, und obwohl er den Waffenrock so vorsichtig wie möglich über seinen rechten Arm streifte, schabten das Leder und der steife Unterstoff schmerzhaft über die Wunde. Matt ließ er sich aufs Bett sinken, die Hände im Schoß. Eine Weile saß er einfach da, bevor er mit den Daumen nachdenklich über seine Unterarme strich.
Bisher hatte er die Entscheidung, sich mit dem Blut der Amanori einzureiben, nicht ein einziges Mal bereut. Die Behandlung leistete ihm im Kampf gegen die Drachen unschätzbare Dienste, weil sie ihm die größtmögliche Bewegungsfreiheit gestattete. Zum einen war die Haut durch die bewirkte Verdickung bis zu einem gewissen Grad vor Verletzungen geschützt, doch vor allem neutralisierte das Drachenblut weitgehend die Wirkung der Blitzstöße. Dadurch konnte er sein Kesh mit beiden Händen führen und war nicht auf einen Schild angewiesen. Zu sehen war die Veränderung nicht, doch einem Heiler würde sofort auffallen, dass die Haut sich unnatürlich lederartig anfühlte.
Das Zimmer begann sich um Yaren zu drehen. Im Hemd wankte er zum Waschgestell, das vor dem Fenster stand, und goss sich mit zitternder Hand Wasser ein. Er spritzte sich einige Tropfen davon ins Gesicht, um das Schwindelgefühl zu vertreiben. Langsam kamen ihm Zweifel, ob ein paar Tage im Bett ausreichen würden, ihn zu kurieren. Sollte er sich doch zum Haus des Heilens begeben? Aber er ginge damit ein großes Risiko ein. Sich mit dem Blut der Drachen einzureiben stand für jeden, der nicht zu den Koshagi , den Paladinen des Marenash , gehörte und sich ihren strengen Regeln unterwarf, unter hoher Strafe. Mebilor war zwar ein alter Freund von Yarens Schwertkampfmeister und Mentor, aber er würde nicht darauf wetten, dass der Heiler ihn nicht trotzdem verhaften ließ.
Endlich entschied Yaren sich dafür, die Wunde noch einmal mit Salbe zu bestreichen und sich schlafen zu legen. Morgen würde er weitersehen.
Mitten in der Nacht wachte er mit pochenden Schmerzen auf. Sein rechter Arm war heiß und geschwollen. Yaren musste einsehen, dass alles nichts half. Er brauchte einen Heiler, ob es ihm gefiel oder nicht.
Auf seinem Weg zum Haus des Heilens kam ihm aus einem schmalen Durchgang ein Kiresh entgegen, der einen der riesigen wolfähnlichen Bluthunde an der Leine führte, die darauf abgerichtet waren, entlaufene Sklaven aufzuspüren. Das Tier reckte die Nase in die Luft und schnüffelte. Ein tiefes Knurren stieg in
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