INAGI - Kristalladern
Oberarm. Beinahe hätte ihm der Schlag die Waffe aus den Händen geschleudert, denn seine linke Hand war noch immer von dem Drachenblitz in Mitleidenschaft gezogen. Yaren fluchte unterdrückt. Noch so einen Fehler durfte er sich nicht erlauben!
Der Kampf zog sich erbittert hin. Yaren fühlte seine eigene Energie schwinden. Endlich wurden die Angriffe des Amanori langsamer und ungezielter, als der Blutverlust seinen Tribut forderte. Schließlich gelang es Yaren unter Aufbietung seiner restlichen Kräfte noch einmal, dem Drachen das Kesh in den Bauch zu stoßen. Mit einem ersterbenden Klagelaut sank der Amanori zur Seite. Ein Zittern lief durch seinen mächtigen Leib, dann lag er still. Yaren schloss die Augen und atmete tief durch. Er hatte es geschafft.
Er zog sein Gebo , das dolchartige Messer, das als zusätzliche oder Ersatzwaffe diente, aus dem Gürtel und brach damit einen der Eckzähne aus dem Kiefer des toten Feindes. Mit grimmiger Genugtuung drehte er den blutigen Zahn, der so lang war wie sein Zeigefinger, in der Hand. Wieder ein Amanori weniger und eine Trophäe mehr für seine Sammlung. Doch diesmal war der Sieg verdammt knapp gewesen.
Das Taubheitsgefühl in seinem linken Arm ließ langsam nach und machte einem unangenehmen Kribbeln Platz, doch Sorge bereitete Yaren sein anderer Arm. Er drehte den Kopf, um die Verletzung zu begutachten. Seine Rüstung hatte zwar das meiste abgefangen, dennoch hatte sich auf seinem Hemdärmel ein großer roter Fleck ausgebreitet. Er löste den Unterarmschutz und schnitt den Ärmel unterhalb der Schulter ab. Einer der Stacheln hatte eine tiefe Schramme in seine Haut gerissen. Trotzdem konnte er froh sein, dass der Schlag ihm nicht den Arm gebrochen hatte oder die Stacheln tiefer eingedrungen waren und Adern oder Sehnen verletzt hatten.
Mit seiner linken Hand und der Hilfe seiner Zähne band Yaren den abgeschnittenen Ärmel seines Hemdes um die Wunde. Er zog den Knoten so fest, wie er konnte, um die Blutung zu stillen. Sein Ungeschick ärgerte ihn. Er war lange nicht verletzt worden. Auch wenn der Kratzer verhältnismäßig harmlos aussah, wusste er, dass er ihn nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. Zwar hatte er eine Kräutersalbe dabei, die die Wirkung des Giftes abschwächte und hoffentlich verhinderte, dass sich die Wunde entzündete, aber er sollte sich auf jeden Fall ein paar Tage Ruhe gönnen. Die Siedlungen, die seinem jetzigen Standort am nächsten lagen, waren Ebosagi und Goekon. Nach kurzem Nachdenken beschloss er, nach Ebosagi zu gehen. Das Fort war größer und soweit er sich erinnerte, gab es dort einen guten Schmied, bei dem er seine Waffen nachschleifen lassen konnte.
Mit dem Gebo brach Yaren einige Dutzend der faustgroßen Schuppen aus dem Panzer des toten Drachen. Sie waren nicht der Grund, weshalb er die Amanori jagte, und oft wollte er sich nicht mit ihnen belasten, um sich nicht in seiner Bewegungsfreiheit einzuschränken. Doch da er sich von hier aus direkt auf den Weg zur Siedlung machen würde, wäre es Verschwendung, nicht so viele der Schuppen mitzunehmen, wie er tragen konnte. Sie waren bei den Kireshi äußerst gefragt und mit dem Gegenwert konnte er seine Ausgaben bestreiten. Wer es sich leisten konnte, ließ, wie Yaren selbst, seinen Waffenrock mit Drachenschuppen besetzen. Sie schützten besser vor Zähnen und Klauen als Leder oder Fischbein. Mit Metallplättchen verstärkte Rüstungen, wie sie sich auf dem Festland etabliert hatten, konnten sie auf Inagi nicht verwenden, da Metall jeglicher Art die Wirkung der Drachenblitze verstärkte. Das hatten die Kireshi bei ihren ersten Zusammenstößen mit den Amanori leidvoll feststellen müssen. Auch die Schwertgriffe mussten so eng mit Leder umwickelt sein, dass die Hand nicht mit dem kleinsten Stück Metall in Berührung kam.
Yarens rechter Arm begann von der Anstrengung, die Schuppen herauszubrechen, zu brennen. Er betrachtete den Haufen neben sich und entschied, dass er mehr als genug hatte. Nachdem er seine Beute in die Schlafdecke gewickelt hatte, ließ er sich erschöpft auf einen Stein fallen und kramte seine Heilsalbe hervor. Er strich etwas davon auf einen Fetzen Tuch und presste ihn auf seinen verletzten Arm. Wenigstens hatte die Wunde aufgehört zu bluten. Nachdem er sie neu verbunden hatte, aß Yaren seine letzten Streifen Trockenfleisch und machte sich dann auf den Weg nach Ebosagi. Zwei oder drei Meilen könnte er noch zurücklegen, bevor es dunkel wurde.
Kapitel IX –
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