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INAGI - Kristalladern

INAGI - Kristalladern

Titel: INAGI - Kristalladern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Strunk
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er die Umstände nicht kannte, musste er annehmen, dass sein Herr sie als etwas Besseres betrachtete. Das Verbot konnte nur vom Hemak ausgesprochen worden sein und es musste auch die Bergleute einschließen. Rückblickend erinnerte Ishira sich nicht, auch nur einen Augenblick mit einem der Inagiri allein gewesen zu sein. Nicht einmal mit den Hauern, die sie beschützte. Immer waren Rondar oder der Anreshir zugegen gewesen. Der Sinn dieser Maßnahme wollte sich ihr allerdings nicht erschließen. Hatte der Hemak Angst, sie könnte etwas erfahren, das nicht für ihre Ohren bestimmt war? Aber was könnten die Inagiri oder andere Sklaven ihr schon groß erzählen? Und selbst wenn sie irgendetwas von Bedeutung mitbekommen sollte, könnte sie mit diesem Wissen nichts anfangen. Oder verhielt es sich genau umgekehrt? Wollte Kiran verhindern, dass sie den Inagiri von Dingen erzählte, die sie unterwegs gesehen oder von Rondar und anderen Gohari erfahren hatte? Aber weshalb sollte der Hemak darin eine Gefahr sehen?

    * * *

    Yaren war über Mebilors Ansinnen, das Mädchen zu ihnen an den Tisch zu setzen, eher verblüfft als verärgert, obwohl die meisten Gohari es als Beleidigung aufgefasst hätten. Unwillkürlich stellte er sich die schockierten Gesichter seiner Mutter und seiner Schwestern vor, wenn ihnen jemand zugemutet hätte, in Gesellschaft einer Sklavin zu essen. Sein Vater hätte Mebilors Haus vermutlich sogar umgehend verlassen. Im Haus seiner Familie waren Sklaven seit jeher eine Selbstverständlichkeit und der Hausvorsteher hatte streng darauf geachtet, dass jeder seinen Platz kannte. Wehe dem Diener, dem eine respektlose Bemerkung herausrutschte! Yaren erinnerte sich noch gut daran, dass es in seiner Kindheit an der Tagesordnung gewesen war, Sklaven selbst für kleinere Verfehlungen auszupeitschen. Einem Diener Freiheiten zu gewähren, lässt ihn über kurz oder lang aufsässig werden , klang ihm noch die Stimme seines Vaters im Ohr. Yaren hatte diesen Satz nie infrage gestellt. Es war die gängige Meinung unter Angehörigen seines Standes. Erst als er Rondar und Mebilor kennenlernte, hatte er festgestellt, dass es auch Menschen gab, die anders dachten.
    Der Telan ließ sich den Haushalt zwar von dem dunkelhäutigen Dienerpaar führen, doch die Beiden waren Freigelassene, die aus eigener Entscheidung bei ihrem Herrn geblieben waren, nachdem dieser ihnen die Freiheit geschenkt hatte – allein das kam selten genug vor. Als Heiler ging Mebilor sogar noch einen Schritt weiter: Er ließ allen seinen Patienten dieselbe Fürsorge zuteilwerden, egal welcher Herkunft und welchen Standes sie waren. Für ihn zählte jedes Leben gleich viel – eine Überzeugung, die bei seinen Kollegen auf wenig Verständnis stieß.
    Rondar hatte überhaupt nie Sklaven besessen, obwohl er es sich hätte leisten können. Als Yaren ihn einmal nach dem Grund gefragt hatte, hatte sein Seresh lachend erwidert, dass es in seinem Haus gar nicht genug Arbeit für einen Diener gäbe. Yaren hatte allerdings eher vermutet, dass Rondar, der selbst aus einfachen Verhältnissen stammte, sich nicht wohl dabei fühlte, andere Menschen für sich arbeiten zu lassen. Dennoch erstaunte es ihn, dass sein Seresh und der Telan sich so weit herabließen, mit einer Sklavin am selben Tisch zu sitzen.
    Plötzlich erinnerte er sich an eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen er Rondar wirklich hatte ärgerlich werden sehen. Es war während eines gemeinsamen Ausritts vor den Toren Hakkons gewesen. Das Pferd eines seiner Mitschüler hatte vor einem Bach gescheut und sich standhaft geweigert, ins Wasser zu gehen. Der Junge hatte dem armen Tier brutal die Peitsche über die Flanken gezogen, bis Rondar die Zügel gepackt und das Pferd hinter sich hergezogen hatte. Anschließend hatte er seinem Schüler eine Standpauke gehalten und erklärt, dass es von mangelnder Reitkunst zeuge, seinem Pferd mit Gewalt den eigenen Willen aufzuzwingen. Wer ein treues Reittier wolle, müsse sich vielmehr darum bemühen, das Vertrauen des Pferdes zu gewinnen.
    Yaren sah seinen Meister nachdenklich an. Urteilte Rondar auch in Bezug auf Menschen so? Hielt er es für falsch, die Bewohner eroberter Gebiete zu versklaven und sie dem Willen der Gohari zu unterwerfen? Aber nur so hatten sie ihr Reich und ihren Einfluss ausdehnen und sich zur stärksten Macht auf dem Festland entwickeln können. Es gab nun einmal lediglich zwei Möglichkeiten: selbst zu herrschen oder beherrscht zu

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