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INAGI - Kristalladern

INAGI - Kristalladern

Titel: INAGI - Kristalladern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Strunk
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besetzt. Auf der einen saß der Heiler, auf der anderen Rondars junger Bekannter aus dem Krankensaal. Ishira erkannte ihn erst auf den zweiten Blick, denn er hatte seine Haare zum Zopf gebunden und am Hinterkopf aufgesteckt. Rasiert hatte er sich ebenfalls. Obwohl beides nicht darüber hinwegtäuschen konnte, dass er erst vor kurzem krank gewesen war, kamen seine fein geschnittenen Züge dadurch noch besser zur Geltung. Sie hätte ihn als gutaussehend bezeichnet, wäre seine Miene nicht so düster und abweisend gewesen. Frisur und Kleidung wiesen ihn als Kiresh aus, doch er musste einem anderen Hem als Rosho zugehören. Seine Weste, etwas ramponiert und an mehreren Stellen geflickt, war von einem verblichenen hellen Grün und den Aufschlag zierte anstelle des Tenishi die Stickerei eines Tamonagi.
    Der Telan hatte sich bei ihrem Eintreten erhoben. Auf seinem Gesicht breitete sich ein warmes Lächeln aus. »Willkommen, alter Freund!« begrüßte er Rondar, während er Ishira ein freundliches Nicken schenkte. Mit einladender Geste wies er auf die beiden Bänke. »Setz dich! Etwas Nadash?«
    »Gern«, stimmte der Bakouran zu. »Diesen Likör habe ich schon seit einer halben Ewigkeit nicht mehr getrunken.« Sein Blick wanderte zu dem jüngeren Kiresh. »Ich bin froh, dich wieder halbwegs wohlauf zu sehen, Yaren«, sagte er herzlich.
    Der Angesprochene nickte nur, als wüsste er nicht, was er darauf erwidern sollte. Er schien sich in Gegenwart des Bakouran auf einmal unbehaglich zu fühlen. Rondar fiel die Anspannung des jungen Mannes entweder nicht auf oder er ignorierte sie. Wie selbstverständlich setzte er sich neben ihn und nahm dankend die Schale entgegen, die der Heiler ihm reichte. Ishira blieb stehen, unsicher, was von ihr erwartet wurde.
    »Wenn du möchtest, kannst du bis zum Essen in den Garten gehen, Kind«, bot Mebilor ihr an.
    Sie unterdrückte ein Lächeln, dass er sie ‚Kind‘ nannte, obwohl sie schon seit gut einem Jahr eine Frau war. Im Hinblick auf den Altersunterschied zwischen ihnen war die Anrede allerdings durchaus passend. Doch was meinte er mit ‚Garten‘? War dies die Bezeichnung für die Anpflanzung draußen? Es musste wohl so sein, wenn sie die Geste des Heilers richtig deutete. Rasch blickte sie zu ihrem Begleiter hinüber. Rondar nickte sein Einverständnis.
    Als Ishira den Raum verließ, nahm der Heiler das Gespräch wieder auf, das er offenbar mit Kiresh Yaren vor Rondars und ihrer Ankunft geführt hatte. Es ging um den letzten Angriff der Amanori. »Es wird von Jahr zu Jahr schlimmer«, klagte er. »Vielleicht bilde ich mir das ja nur ein, aber es kommt mir so vor, als würden sie nicht nur häufiger über uns herfallen, sondern als würden ihre Angriffe auch an Heftigkeit zunehmen.«
    »Etwas Ähnliches habe ich auch schon von einigen Kireshi gehört«, stimmte Rondar zu. »Es heißt, dass die Drachen immer aggressiver werden.«
    »Und wie lange wollen wir das noch tatenlos geschehen lassen?« ließ sich Kiresh Yaren bitter vernehmen. »Wenn diesen Ungeheuern nicht bald jemand das Handwerk legt, haben wir irgendwann nirgendwo mehr vor ihnen Ruhe. Nicht einmal unsere Städte werden sicher sein. Wann wird der Marenash endlich etwas gegen diese Plage unternehmen?«
    »Wenn es eine Möglichkeit gäbe, den Amanori beizukommen, hätte Ashak sie längst ergriffen«, gab der Heiler zurück. Er klang resigniert. »Wir alle wissen doch, was aus der Armee geworden ist, die sein Großvater ins Landesinnere geschickt hat.«
    »Das heißt noch lange nicht, dass die nächste Armee genauso scheitert«, widersprach Kiresh Yaren.
    »Aber eine erneute Niederlage ist weitaus wahrscheinlicher als ein Sieg«, warf Rondar ein. »Beim letzten Mal ist nicht ein einziger der Männer zurückgekehrt und was hat sich seither geändert? Wir wissen genauso wenig über unseren Gegner wie vor fünfzig Jahren und haben noch immer dieselben unzureichenden Waffen – zumindest solange die Telani das Kaddor nicht besser beherrschen. Kein Feldherr, der bei Verstand ist, führt seine Armee unter solchen Umständen in die Schlacht.«
    »Was ist mit den Koshagi?« fragte sein junger Bekannter.
    »Viele von ihnen sind exzellente Kämpfer, das steht außer Frage«, erwiderte der Heiler. »Aber selbst sie sind nicht unverwundbar, wie du sehr wohl weißt. Du kannst von ihnen keine Wunder erwarten.«
    Mehr konnte Ishira nicht verstehen, wenn sie nicht Gefahr laufen wollte, von einem der Diener beim Lauschen ertappt zu werden.

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