Incarceron
es.« Sie streckte ihre Hand aus, packte seine, die heià und klamm war, und hielt sie fest. »Jared soll unser Zeuge sein.«
Zögernd lieà Evian es geschehen, dass sie seine und ihre Hand hochhob. Jared legte seine schmale Hand obendrauf.
»Ich schwöre es. So wahr ich ein Lord des Reiches und ein Jünger des Neunfingrigen bin.« Lord Evians kleine, graue Augen wirkten sehr hell im Sonnenlicht. »Der Hüter Incarcerons wird nicht getötet werden.«
Claudia nickte zufrieden. »Danke.«
Jared und sie beobachteten Evian, wie er seine Hand löste und davonging und unterwegs sorgfältig seine Finger mit einem seidenen Taschentuch abputzte. Dann war er zwischen dem Grün der Linden verschwunden.
Â
Kaum, dass er fort war, lieà sich Claudia ins Gras sinken und umklammerte ihre Knie, die sie unter ihrem blauen Kleid angezogen hatte. »Oh, Meister! Was für ein Schlamassel!«
Jared schien ihr kaum zuzuhören. Unruhig bewegte er sich, als ob er sich steif fühlte, dann verharrte er plötzlich so reglos, dass sie glaubte, eine Biene habe ihn gestochen. »Wer ist der Neunfingrige?«
»Wie bitte?«
»Das hat Evian doch gesagt.« Er drehte sich zu ihr, und in seinen dunklen Augen lag eine Aufregung, die sie nur zu gut kannte und die sie an die brennende Besessenheit erinnerte, welche ihren Lehrer manchmal während seiner Experimente Tag und Nacht in ihren Fängen hielt. »Hast du je von einem solchen Kult gehört?«
Unbeteiligt zuckte sie mit den Schultern. »Nein. Und ich habe auch keine Zeit, mir darüber Gedanken zu machen. Hör mir zu. Heute Nacht, nach dem Bankett, hat die Königin ein Ratstreffen einberufen, eine offizielle Ratsversammlung, um alles Nötige für die Hochzeit und die Thronfolge zu besprechen. Alle werden dort sein, Caspar, der Hüter und sein Sekretär und wer
sonst noch alles wichtig ist. Und sie werden sich auch nicht so einfach früher zurückziehen können.«
»Du bist nicht dabei?«
Wieder zuckte sie die Achseln. »Wer bin ich denn schon, Meister? Eine Figur auf dem Schachbrett.« Claudia lachte, und sie wusste, dass Jared dieses harte, bittere Lachen hasste. »Das also ist der richtige Zeitpunkt, um Incarceron zu betreten. Und dieses Mal werden wir nichts dem Zufall überlassen.«
Jared nickte. Er sah wieder bedrückt aus, aber in seinen Augen lag noch immer eine letzte Spur von Begeisterung. »Ich bin froh, dass du wir gesagt hast, Claudia«, murmelte er.
Sie sah auf. »Ich habe Angst um dich«, war alles, was sie antwortete. »Was auch immer geschehen mag.«
Er nickte. »Dann sind wir ja schon zu zweit.«
Einen Moment schwiegen sie.
»Die Königin wird schon warten.«
Aber Claudia setzte sich nicht in Bewegung, und als Jared sie anschaute, bemerkte er, dass ein angespannter, nachdenklicher Ausdruck auf ihrem Gesicht lag.
»Dieses Mädchen Attia. Sie war eifersüchtig. Sie war eifersüchtig auf mich.«
»Ja. Vielleicht sind sie enge Freunde, Finn und seine Kameraden.«
Claudia hob die Schultern, dann stand sie auf und wischte sich etwas Blütenstaub vom Kleid. »Nun ja. Das werden wir schon bald herausfinden.«
24
Du suchst den Schlüssel, der Incarceron öffnet?
Dann such in dir selber.
Dort liegt er die ganze Zeit verborgen.«
DER SPIEGEL DER TRÃUME ZU SAPPHIQUE
Â
Â
D er Turm des Sapienten war seltsam, dachte Finn.
Er, Keiro und Attia hatten den Mann beim Wort genommen und den ganzen Tag damit zugebracht, sich dort umzusehen. Dabei hatten sie Dinge entdeckt, die ihnen zu denken gaben.
»Dieses Essen, zum Beispiel.« Keiro nahm sich eine kleine, grüne Frucht aus der Schüssel und beschnupperte sie vorsichtig. »Sie ist auf jeden Fall natürlich gewachsen, aber wo? Wir sind viele Meilen weit oben am Himmel, und es gibt keinen Weg nach unten. Erzählt mir nicht, der Sapient fliegt mit seinem silbernen Schiff zum Markt.«
Sie wussten, dass es keinen Weg hinab gab, weil die unteren Räume, wo die Betten standen, unmittelbar auf den nackten Felsen gebaut worden waren. Kleine Felserhebungen ragten zwischen den Möbelstücken empor, und Tropfstein aus Kalzium hing von der Decke: Sedimentgestein, das sich im Laufe der letzten anderthalb Jahrhunderte seit der Erschaffung des Gefängnisses abgelagert hatte. Obwohl Finn geglaubt hatte, dass es viel länger  â
Weitere Kostenlose Bücher