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Incognita

Incognita

Titel: Incognita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris von Smercek
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Roqua folgte ihm dicht auf den Fersen.
    In Gedanken schätzte John seine Chancen ab. Jetzt, da sie erspäht worden waren, wäre etwas mehr Deckung durchaus wünschenswert gewesen. Er zog in Erwägung, die Anhöhe bei nächster Gelegenheit wieder zu verlassen, um sich im dichteren Wald weiter unten zu verstecken, doch plötzlich war die Rettung zum Greifen nah: eine viele Meter hohe Blätterwand, die wie ein riesiger Vorhang vor ihm in die Höhe wuchs.
    Wenn wir dorthin kommen, haben wir es geschafft!, dachte John. Von neuer Zuversicht erfüllt, beschleunigte er seinen Lauf. Ein rascher Blick über die Schulter zeigte ihm, dass Jorge La Roqua noch immer dicht hinter ihm war. Weiter hinten erklommen die Indianer soeben die Anhöhe.
    »Da vorne können wir uns verstecken!«, rief John. Beinahe hätte er vor Erleichterung laut aufgelacht. Dieser gigantische Blättervorhang kam wirklich wie gerufen! Doch die Ernüchterung folgte sofort, denn als er an der Blätterwand ankam, stellte er entsetzt fest, dass dort kein Durchkommen war! Panik erfasste ihn. Wenn sie nicht rasch ein Versteck fanden, war es aus mit ihnen! Er zog sein Schwert und schwang es wie eine Machete.
    Nichts!
    Die Klinge prallte ab, ohne das Laub auch nur anzukratzen!
    Ungläubig versuchte John es aufs Neue, diesmal mit noch mehr Kraft. Abermals ohne Erfolg. Sein Schwert prallte von der Blätterwand ab, als wäre sie aus Granit.
    Wie um alles in der Welt ist das möglich?, fragte sich John. Meine Klinge ist scharf wie ein Rasiermesser und müsste Laub und Zweige mühelos zerteilen!
    Aber im Moment blieb ihm keine Zeit, sich weiter darüber den Kopf zu zerbrechen, denn schon waren die Verfolger da.
    Es folgte ein Kampf auf Leben und Tod, den John nur überlebte, weil Jorge La Roqua alle Register seines Könnens zog. Er parierte den ersten Lanzenangriff mit einem geschickten Schwertschlag, vollführte eine schwungvolle Drehung und rammte dem Feind die Klinge in den Magen. Um das Schwert wieder freizubekommen, versetzte er dem Schwerverletzten einen Stiefeltritt, sodass dieser rücklings zu Boden fiel. Röchelnd und zuckend rang der Mann mit dem Tod.
    La Roqua achtete nicht weiter auf ihn, sondern konzentrierte sich schon auf die nächste Attacke. Diesmal bekam er es gleich mit zwei Angreifern auf einmal zu tun, die mit Hartholzkeulen nach ihm schlugen. Den ersten Hieb ließ er mit einer flinken Bewegung ins Leere sausen, den zweiten parierte er mit dem Schwert.
    Was danach geschah, konnte John nicht weiter beobachten, denn nun stürzten sich die beiden anderen auf ihn – der Napo-Schlangenbeschwörer mit einem Knüppel, die Frau mit einer Lanze bewaffnet. Zunächst völlig überfordert, wich John vor ihnen zurück. Erst, als er im Rücken die Blätterwand spürte, wurde ihm mit letzter Klarheit bewusst, dass ein Kampf unausweichlich war. Was er auf Caldwell Island spielerisch über den Umgang mit dem Schwert gelernt hatte, musste er jetzt anwenden, um sich zu verteidigen.
    Er parierte einen Lanzenstoß der Frau, aber der Indianer mit dem Knüppel traf ihn an der Seite. Der damit verbundene glühende Schmerz war wie ein ultimativer Weckruf an seinen Überlebensinstinkt. Er überwand die letzten Hemmungen. Heute würde er töten müssen, um nicht selbst getötet zu werden. Seine Schwerthiebe wurden präziser. Er stach zu und verletzte den Napo-Krieger am Brustbein – nur ein Kratzer, aber immerhin.
    Irgendwo neben ihm ertönte ein Aufschrei. Ein rascher Seitenblick zeigte John, dass La Roqua einen weiteren Feind getötet und den dritten soeben verstümmelt hatte: Dort, wo zuvor noch sein linker Arm gewesen war, klaffte jetzt eine riesige, offene Wunde an der Schulter. Als La Roqua dem Indianer auch noch das Schwert in den Leib stieß, erstarb das Geschrei.
    »Haltet durch, Ortega!«, rief La Roqua und stapfte mit eiligen Schritten auf John zu, der inzwischen wieder arg in Bedrängnis geraten war. Die Waffen seiner Angreifer, Lanze und Knüppel, schienen überall gleichzeitig zu sein. Lange konnte er der Übermacht trotz aller Entschlossenheit nicht mehr standhalten. Ihm fiel ein Stein vom Herzen, als der spanische Hauptmann endlich bei ihm war.
    Nun war es ein gleicher Kampf, zwei gegen zwei. Die Auseinandersetzung wurde dadurch jedoch umso erbitterter. Der Napo-Indianer mit dem Knüppel kämpfte gegen Jorge La Roqua, die Frau weiterhin gegen John. Die Geräusche der aufeinanderprallenden Waffen hallten weit durch den Wald, getragen vom schweren Keuchen

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