Indigo - Das Erwachen
geeignet. Der Gruselfaktor war echt riesig, aber er hatte auch etwas für sich.
Wenn ihr jemand in den alten Park gefolgt war, war er jetzt leicht zu entdecken.
Rayne stellte ihr Motorrad nahe beim Eingang ab, nahm den Helm ab und atmete die Nachtluft ein, während sie auf Geräusche lauschte. Sie spähte in der Dunkelheit nach Anzeichen dafür, dass man ihr gefolgt war. Das konstante Verkehrsrauschen des Freeways wurde durch die Hügel und den dichten Baumbestand im Park gedämpft, aber Rayne bemerkte nichts Ungewöhnliches. Keine Scheinwerfer hinter ihr, keine Reifen, die auf Kies knirschten. Das einzige Licht stammte von der weit entfernten Skyline der Stadt.
Zufrieden, dass ihr niemand folgte, schnappte Rayne sich die Taschenlampe, die sie für Pannen in der Harley verstaut hatte, und sicherte das Motorrad. Dann betrat sie den Park und folgte den Asphaltwegen durch baufällige Tiergehege, die von Ranken überwuchert waren. Anfangs schwieg sie noch, doch dann beschloss sie, dass es in Anbetracht der GröÃe des Zoos besser war, Lucasâ Namen zu rufen. Wenn er hier war, würde ihn der Lärm vielleicht aus der Deckung locken.
âLucas, ich binâs, Rayne!â
Als sie tiefer in den Park vordrang, näher an die groÃen Bären- und Löwengehege kam, atmete sie tief durch und wappnete sich für das Schlimmste: die unterirdischen Gänge. Wenn Lucas Schutz und ein richtiges Versteck suchte, hatte er sich zu ihrem Pech mit einiger Wahrscheinlichkeit in dem unterirdischen Labyrinth versteckt, seinem Lieblingsteil des Zoos. Der letzte Ort, an dem sie mitten in der Nacht sein wollte, aber für Lucas musste sie es riskieren. Er hätte dasselbe für sie getan. Weil Lucas war, wie er war, sah er im Gegensatz zu den meisten Leuten keine Dämonen in den Zootunneln lauern. Er sah das Abenteuerliche, die Möglichkeit darin â und die Schönheit, die darin lag, dass die Natur hier ein Stück der Welt zurückeroberte.
Obwohl der dünne Strahl der Taschenlampe ihr einziges Licht war, fand sie das gähnende Maul der Tunnelöffnung und nahm die Treppe nach unten. Auf jeder Stufe knisterten zerfallende Blätter unter ihren Stiefeln. Dornige Finger toter Ranken überzogen die Wände und die Streetart darauf, die gröÃtenteils aus Totenschädeln und Gang-Symbolen bestand. Bei Tag waren die Kunstwerke beeindruckend, fast wie in einer Kirche. Aber nachts sah der Treppenschacht aus wie der Eingang zur Hölle.
Für Lucas ⦠Ich bin wegen Luke hier .
Rayne wiederholte das Mantra in ihrem Kopf und versuchte, nicht bei jedem Schatten zusammenzuzucken, aber sie kam sich vor wie der letzte Angsthase. Ihre Haut kitzelte, als würden überall auf ihr Käfer herumkrabbeln, und der muffige Gestank von Schimmel und Tierkot raubte ihr fast den Atem. Ohne das Licht ihrer Taschenlampe hätte hier völlige Dunkelheit geherrscht. Hier und da drang gedämpftes Mondlicht durch die verrosteten Gitterstäbe und kroch in die Tunneleingänge, an denen sie vorbeikam. Wegen des grellen Taschenlampenlichts war ihre Nachtsicht eine Katastrophe, aber da war nichts zu machen.
âLucas!â Sie rief seinen Namen, während sie sich mit einer Hand an der Steinwand entlang durch die Dunkelheit tastete, damit sie nicht stolperte. Je tiefer sie in die Eingeweide des verlassenen Zoos vordrang, desto langgezogener wurde das Echo ihrer Stimme, das es ihr eiskalt den Rücken hinablaufen lieÃ.
âLuke!â, rief sie wieder.
Ihre Kehle war mittlerweile so rau wie Sandpapier, und der Name ihres Bruders hallte heiser durchs Dunkel. Sie räusperte sich, um noch einmal zu rufen, doch als sich vor ihr etwas bewegte, erstarrte sie mitten in der Bewegung.
Der Mond? Ein Schatten?
Instinktiv schaltete sie die Taschenlampe aus und schloss für eine Sekunde fest die Augen, um ihre Nachtsicht zu verbessern. Hatte sie sich das nur eingebildet? Sie hielt die Luft an und suchte das Dunkel nach Bewegungen ab. Sie betete, dass sie nur einen Ast gesehen hatte, der sich im Wind bewegte, oder etwas ähnlich Harmloses. Normalerweise war sie alles andere als ein Glückspilz, aber heute schien eine Ausnahme zu sein. Denn wenn sie gerade nicht stehen geblieben wäre, hätte sie es niemals gehört.
Ein Schritt ⦠und noch einer .
Jemand war ihr in die Tunnel gefolgt. Rayne war nicht allein.
3. KAPITEL
Griffith Park Zoo
Rayne donnerte das
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