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Indigo (German Edition)

Indigo (German Edition)

Titel: Indigo (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens J. Setz
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ja?
    – Ich verstehe nicht.
    – Ich bitte Sie sehr darum, wirklich. Es ist … Sie haben ja gesehen, was für eine Art Klima da drinnen herrscht, oder? Ich meine, ich habe gesehen, wie Sie mitgeschrieben haben. Das muss Ihnen doch auch aufgefallen sein. Sie haben bestimmt nicht nur unser nebensächliches Geschwätz aufgezeichnet. Sie wissen Bescheid, nicht?
    – Herr Tätzel, ich weiß nicht, was Sie von mir wollen.
    Ich machte Anstalten, auszusteigen, aber eine gekrümmte Kralle schoss vor und drückte die Verriegelung nach unten. Ich stieß die Hand beiseite und machte die Verriegelung wieder auf.
    – Was soll das?
    – Es ist nichts, bitte, sagte Herr Tätzel. Es ist, ah, warten Sie, ich hab das ganz falsch angefangen, das Problem ist nur, dass ich, dass wir gewissermaßen unter Zeitdruck stehen, wissen Sie? Ich würde Ihnen das alles gern während der Fahrt erklären, aber dazu müssten Sie erst einmal losfahren, ja?
    – Soll das vielleicht eine Entführung sein, oder was?
    – Aber nein, bitte, nein, da denken Sie in die falsche Richtung, ich habe doch nicht vor, Sie in irgendeiner Weise … aber bitte, hören Sie kurz zu, ja? Ich bitte Sie, ich bitte Sie wirklich, den Motor zu starten und da rauszufahren, bitte.
    – Okay, aber warum?
    Ich legte meinen Finger an den Zündschlüssel.
    – Warum? Mein Gott, wir müssen doch jetzt nicht alles zerreden! Bitte, ich … entschuldigen Sie, Herr Setz, ich wollte nicht brüllen, aber wir sind unter einigem Zeitdruck, jeden Augenblick kann – 
    – Geht es um Robert?
    – Ich muss hier weg, Herr Setz, bitte helfen Sie mir.
    – Aber wenn Sie wegwollen, warum nehmen Sie sich nicht ein Taxi oder gehen zum Bahnhof, oder – 
    – Bitte, sagte Herr Tätzel, bitte, ich bin nicht bereit, diese Behandlung noch einen Tag länger … Ich muss hier weg, bevor die Interfe… Sie verstehen gar nicht, was los ist, oder? Sie haben wirklich überhaupt nichts begriffen, oder? Sie haben tatsächlich nur unseren Smalltalk mitgeschrieben? Wie kann Ihnen das nicht auffallen!
    – Was denn? Sagen Sie’s mir.
    Ich trat die Kupplung, in der Hoffnung, dass ich mich richtig erinnerte, wie man ein Auto startete, und wollte den Schlüssel umdrehen.
    – Was macht ihr da?, war eine fröhliche Stimme von der Terrassentür her zu hören.
    Frau Tätzel kam auf uns zu. Eine Hand hatte sie hinter ihrem Rücken versteckt. Herr Tätzel stieg, so schnell es seine körperliche Beeinträchtigung zuließ, aus dem Wagen, wich vor ihr zurück, legte die Fernbedienung auf den Rand einer leeren Regentonne, die neben dem Wagen stand, und ging mit hängendem Kopf einige Schritte aufs Haus zu. Im Profil sah er genauso aus wie Robert, als er mit dem Partyhut in der Hand über den Hof der Helianau getrottet war.
    Ich stieg ebenfalls aus dem Wagen.
    – Er ist ganz verliebt in unser Auto, sagte Frau Tätzel.
    Ihre Hand kam hinterm Rücken zum Vorschein. Sie trug einen dicken Küchenhandschuh.
    Als Herr Tätzel den Handschuh sah, drehte er sich noch einmal zu mir um und sagte:
    – Tja, dann gehen wir wohl besser wieder zurück ins Wohnzimmer, ja?
    Wieder das unangenehme Licht im Wohnzimmer. Ich war kurz davor, ihnen vorzuschlagen, die sirrende, flimmernde Glühbirne für sie auszuwechseln. Jetzt bemerkte ich auch den abmontierten Lampenschirm, der gleich neben der Terrassentür auf dem Boden lag. Ich hatte ihn schon vorher gesehen, aber ihn für ein albernes Ufo-Modell gehalten.
    – Ich muss dann gehen, sagte ich.
    – Schade, sagte Frau Tätzel.
    Etwas bewegte sich am Rand meines Gesichtsfeldes. Wenn ich versuchte, es direkt anzusehen, entwischte es in irgendeinen toten Winkel und kam erst zurück, wenn ich wieder zu Frau Tätzel blickte, auf das Teeservice auf dem Tischchen, auf das Mobiltelefon in ihrer einen und den Küchenhandschuh in der anderen Hand. Das undefinierbare Ding an meiner Peripherie war von heller Farbe, ein wenig flackerte es sogar, aber gleichzeitig war es körperlos und zellophanartig, wie der Schatten eines Wasserstrahls auf einer weißen Mauer.
    Das Zimmer drehte sich plötzlich um mich, und der Boden flog auf mich zu, als wäre ich in eine zuschnappende Falle getreten. Aus meinem Mund und meiner Nase lief Flüssigkeit, unerträglich heiß und sauer, ich machte die Augen zu und versuchte, meine Kräfte zu sammeln, dann war ich plötzlich wieder auf den Beinen, und jemand stützte mich, nein, drehte meine Arme auf den Rücken, das Erbrochene tropfte von meinem

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