Indigosommer
Swell zu. Ich hielt mich an den Kanten des Brettes fest, wobei ich mir selber Mut zusprach. Gischt sprudelte mir ins Gesicht und trieb mir Salzwasserflocken in die Nase.
Wir warteten quer zu den Wellen und dann sah ich eine herannahen, sah, wie sie wuchs. Conrad drehte das Brett zum Strand. Ich konnte fühlen, wie die Welle hinter uns Kraft sammelte und kurzzeitig packte mich die Panik. Doch dann waren wir beide auf ihr. Sie hob das Brett empor und ich merkte, wie Conrad hinter mir aufstand.
»Jetzt!«, rief er. Ohne nachzudenken, zog ich die Knie auf das Brett, dann stellte ich den rechten Fuß auf. Zu mehr reichte mein Mut nicht, doch schon das war unvergleichlich aufregend.
»Die Arme«, schrie Conrad hinter mir. »Surf mit deinem Körper.«
Instinktiv hob ich meine Arme und versuchte, die Balance zu halten. Die Welle trug uns ganz sacht an Land und das Brett fuhr knirschend auf den Sand. Wir stiegen aus dem Wasser. Ich holte mein Boogie und Conrad trug sein Brett auf dem Kopf über den Strand. Er lehnte es gegen den Stamm, auf dem er seine Sachen liegen hatte. Wir zogen unsere nassen Anzüge aus (ich trug jetzt vorsichtshalber immer meinen blauen Bikini darunter), setzten uns auf das warme Holz und ließen uns von der Sonne trocknen.
»Danke«, sagte ich zähneklappernd. Ich hatte am ganzen Körper Gänsehaut. »Das war unbeschreiblich schön.«
»Ja«, sagte er. Und da war es wieder, sein Lächeln.
Wir sahen auf das Meer, wo die anderen auf den nun kleiner werdenden Wellen ritten. Obwohl sie weit weg waren, konnte ich ihre Blicke wie Nadelstiche spüren.
»Nun wissen es alle«, sagte ich.
»Stört es dich?«
Ich schüttelte den Kopf. Nein, aber sie werden es mich spüren lassen.
Conrad nahm sein Handtuch und legte es um meine Schultern. Es war steif und kratzig, aber es wärmte mich. Ich holte Luft, um ihn zu fragen, wie es nun mit uns weitergehen würde, da sagte er: »Ich habe mit Tamra gesprochen.«
Überrascht sah ich ihn an. Damit hatte ich nicht gerechnet. »Was hast du ihr gesagt? Dass du jetzt auf kleine weiße Surferinnen stehst?«
Er drehte das Gesicht von mir weg. »So was in der Art.«
»Und?«
»Sie ist ausgeflippt. Für sie war klar, dass ich die Rolle meines Bruders übernehmen würde.«
»Na ja«, sagte ich, »irgendwie hast du das ja auch die ganze Zeit getan. Was sollte sie sonst denken?«
Conrad zog die Knie an die Brust und schlang seine Arme darum. Ich konnte das spärliche dunkle Haar in seinen Achselhöhlen sehen, seinen salzigen Duft riechen. Wasser rann aus seinen Haaren und perlte über seine Schultern.
Ach verdammt, hatte ich schon wieder das Falsche gesagt?
Conrad wandte mir das Gesicht zu und sein Blick war jetzt ganz offen. »Tamra war das erste Mädchen, in das ich richtig verliebt war«, bekannte er. »In ihrer Gegenwart bekam ich feuchte Hände und weiche Knie. Ich wurde zum stammelnden Idioten. Ich habe sie angebetet, von ihr geträumt, ich habe ihr sogar Gedichte geschrieben.« Mit einem bitteren Lächeln schüttelte er den Kopf. »Aber sie hat mich nicht gewollt. Sie hat meinen Bruder vorgezogen. Und als er tot war...naja, da blieb immer noch ich. Dasselbe Gesicht, die gleiche Statur, dieselbe Stimme, derselbe Geruch.«
»Und du?«, fragte ich, tief berührt von dem, was er mir da erzählte.
»Ich brauchte jemanden, der ihn genauso vermisste wie ich. Ich dachte, ich würde Tamra immer noch begehren. Aber sie war die Freundin meines Bruders und Kayad ist der Sohn meines Bruders und ich bin nicht er.«
»Das ist alles ziemlich verwirrend für mich«, sagte ich.
»Und für mich erst«, erwiderte er. Das sollte sich vermutlich spaßig anhören, aber Conrad meinte es ernst, das spürte ich.
Ich war eifersüchtig auf Tamra, darauf, dass sie diese Wirkung auf ihn gehabt hatte. Und erneut fragte ich mich, wieso er sich mit mir abgab. Jede Wette: Um weibliche Aufmerksamkeit brauchte er sich bestimmt keine Sorgen zu machen.
Conrad begann, sich anzuziehen. Dann schob er sich zwischen meine Knie, lehnte sich gegen den Stamm und küsste mich lange. Ich hielt mich an seinen Haaren fest, weil ich fürchtete, in diesem zärtlichen Kuss zu ertrinken. Falls noch jemand da draußen auf dem Wasser Zweifel gehabt hatte, dann waren die nun endgültig ausgeräumt.
Laura würde sich insgeheim freuen, Josh mich dafür hassen, Alec den Tugendwächter mimen und Brandee mich für komplett geistesgestört erklären. Mit etwas Glück blieben wenigstens Janice und Mark
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