Indische Naechte
perfekte Ordnung darunter gelitten hätte, und zogen eine gewaltige Staubwolke hinter sich her. Die Königlich Britische Kavallerie hätte es nicht besser machen können.
»Wundervoll ausgebildet, Euer Hoheit«, bemerkte Ian.
»Ich dachte mir schon, daß Sie beeindruckt sein würden.« Der Maharadja sah ihn nachdenklich an. »Halten Sie sie den britischen Ulanen für ebenbürtig?«
»Ich denke, sie sind es«, erwiderte Ian. »Obwohl ich bezweifle, daß es jemals zu einem Vergleich kommen wird.«
»Das denke ich auch«, sagte der Maharadja verbindlich. Dann wies er mit dem Kopf auf die Ebene, wo Kamele gerade die leichten Artilleriegeschütze in Position schleppten, und fuhr fort: »Drill ist wichtig, denn eine Armee, die nicht diszipliniert ist, bedeutet nur ein ungeordnetes Rudel, das durch besser ausgebildete Truppen leicht zersprengt werden kann. Ihre britische Armee hat immer wieder bewiesen, wie wertvoll Soldaten sind, die selbst beim heftigsten Angriff ihre Reihen nicht durchbrechen lassen. Und dennoch ist die wahre Prüfung eines Kriegers die des Mutes, nicht des Drills.«
»Vielleicht, aber Mut ist nicht einfach etwas, das man hat oder nicht hat«, warf Ian ein. »Meine Erfahrung hat mir gezeigt, daß ein Soldat praktisch immer erfüllt, was man ihm befiehlt, wenn er gut ausgebildet, gut geführt ist und umgeben von Kameraden, vor denen er nicht versagen will.«
»Dem kann ich zustimmen.« Rajiv Singh runzelte die Stirn. »Meiner Armee würde es nicht an Waffen, Mut oder Ausbildung mangeln, doch sie würde trotz allem auf eine harte Probe gestellt werden, sollten sich meine Nachbarn entschließen, in Dharjistan einzumarschieren. Die Punjabi-Armee ist genauso gut ausgerüstet und ausgebildet. Bedauerlicherweise ist sie auch noch größer als meine.«
Nun wurden die leichten Artilleriegeschütze in der Ebene abgefeuert: sechzig Rohre spuckten fast gleichzeitig ihre Kugeln aus, so daß das Ergebnis eine einzige ohrenbetäubende Detonation war. Von den vier Salven, die in einer Minute abgefeuert wurden, kam nur die letzte leicht verzögert. Die Kanoniere hatten ihre Lektion gelernt.
Vorübergehend taub durch den gewaltigen Kanonendonner, wartete Ian, bis er wieder etwas hören konnte, ehe er Rajiv antwortete. »Das Abkommen, das Ihr mit Britannien unterzeichnet habt, sichert Euch Unterstützung zu, sobald Dharjistan angegriffen wird.«
»Bei den vielen britischen Soldaten, die in Afghanistan stehen, ist eure Armee im Augenblick geschwächt. Glauben Sie, es sind genug da, um die Punjabis zu stoppen, wenn es erforderlich wird?«
»Ja«, sagte Ian ohne Zögern. »Selbst wenn Regimenter von so weit her wie Kalkutta oder Madras abgezogen werden müßten, wird Britannien seine Verpflichtung erfüllen.«
»Zweifellos haben Sie recht.« Der Ausdruck des Rajputen war sardonisch. »Aber selbst wenn, fehlt mir irgendwie ein wenig die Begeisterung bei dem Gedanken, britische Soldaten in Dharjistan einmarschieren zu sehen. Es ist ja schön und gut, wenn der Tiger kommt, um einen zu beschützen, aber es könnte schwierig sein, den Tiger zu überreden, danach auch wieder zu gehen.«
»Ich wünschte, ich könnte sagen, Eure Befürchtungen seien grundlos, aber Ihr wißt es besser«, sagte Ian ein wenig zerknirscht. »Es gibt genug Männer im Sirkar, die sich freuen würden, Dharjistan zu annektieren. Wie auch immer... mehr noch glauben, daß ein starker, unabhängiger Staat unter Eurer Herrschaft Britisch-Indiens bester Schutz gegen Afghanistan ist.«
Der Maharadja zog die Brauen hoch. »Das ist eine bemerkenswert offene Einschätzung von einem Briten. Fühlen Sie sich denn nicht verpflichtet, Ihre Regierung zu verteidigen?«
»Die englische Regierung hat vieles getan, das sich nicht verteidigen läßt«, sagte Ian gepreßt. »Mein eigenes Volk, die Schotten, haben sehr unter britischer Gewalt leiden müssen.«
»Das klingt nach einem Mann, dessen Gram mehr persönlich denn politisch ist«, sagte Rajiv Singh mit interessiertem Blick. »War Ihr Erbe der einzige Grund, warum Sie den Dienst quittiert haben?«
Wie Laura konnte der Maharadja offenbar Gedanken lesen.
»Nein, das war nicht der einzige Grund«, gab Ian widerwillig zu. »Ich wurde gefangengenommen, während ich auf einer offiziellen Mission in Buchara war, und saß eineinhalb Jahre fest. Der Emir sagte mir, er würde mich freilassen, wenn er von der englischen Königin einen Brief erhielte, in dem sie meinen Status bestätigte.«
Der Rajpute konnte sich
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