Indische Naechte
daß die Rosenblätter entfernt werden würden, brachte der Maharani eine Nachricht der Memsahib und hatte danach frei. Also beschloß sie, ein wenig spazierenzugehen, und es war reiner Zufall, daß sie es in der Nähe der Unterkünfte für männliche Diener tat.
Sie war ein wenig verärgert, daß Zafir, der Schuft, sie nach seiner Rückkehr nach Manpur nicht sofort aufgesucht hatte. Wenn man bedachte, wie viele Gedanken sie sich darüber gemacht hatte, ob sie ihn heiraten sollte oder nicht, war es alles andere als angenehm, daran zu denken, daß der Pathane gar nicht so schrecklich daran interessiert zu sein schien.
Sie hatte sich eine Reihe scharfer Bemerkungen zurechtgelegt, falls sie ihn zufällig treffen sollte. Doch als das dann tatsächlich geschah, ließ sein wunderbares Lächeln alles andere vergessen. »Kleine Taube, was für ein Anblick für müde Augen.«
Sich langsam wieder erholend, erwiderte sie: »Deine Augen sehen überhaupt nicht müde aus. Du wirkst wie ein Fuchs, der sich einen Fasan zum Essen ausgesucht hat.«
»Genau! Nur ist der Fasan in diesem Fall eine Taube!« Er sah sie hoffnungsvoll an. »Darf ich dich zum Dinner vernaschen?«
Die Röte stieg in Meeras Gesicht. Himmel, das kam langsam ein wenig zu oft vor. »Nichts dergleichen. Ich will ein bißchen Spazierengehen, da die Memsahib mich in den nächsten Stunden nicht braucht.«
»Dann komme ich mit und beschütze dich vor Füchsen.«
Worauf Meera natürlich gehofft hatte. Erst als sie ein gutes Stück vom Palast entfernt waren, sagte Zafir: »Hast du darüber nachgedacht, was ich dir vorgeschlagen habe, Meera?«
Sie blickte überrascht auf. »Ich glaube, das war das erste Mal, daß du mich bei meinem Namen genannt hast.«
»Lieber als Meera oder kleine Taube«, antwortete er ernsthaft, »würde ich dich meine Frau nennen.«
Verzaubert durch die Intensität des Gefühls, das sie in seinen klaren, grauen Augen entdeckte, sagte sie: »Dann werde ich dich Gemahl nennen.«
Zafir stieß einen Freudenschrei aus. Er packte sie um die Taille, riß sie von den Füßen und wirbelte sie ein paarmal herum. Als eine lachende Meera wieder zu Boden gelassen wurde, war sie überzeugt, daß ihre Antwort ihm doch etwas bedeutete.
»Schade, daß ich meine Flinte nicht hier habe. Ein echter Pathane feiert mit Schüssen in die Luft, aber das kann ich nachholen. Vielleicht wenn wir heiraten.«
Meera, die ohne großen Erfolg versuchte, ernst zu blicken, ordnete ihren Schal. »Ich finde, wir sollten warten, bis Falkirk Sahib und meine Herrin Bombay erreicht haben.«
Er zog sie an sich und küßte sie. »So lange? Muß das sein?«
»Ja«, sagte sie ziemlich atemlos, als sie sich von seinem Kuß erholt hatte. »Der Sahib und die Memsahib haben soviel für mich getan. Sie jetzt zu verlassen, wäre sehr undankbar.«
Er küßte sie wieder, und diesmal legte sich dabei eine Hand auf ihre Brust. »Mit der Hochzeit können wir ja warten, aber müssen wir denn warten ?«
Sie begriff und boxte seine Hand sanft weg. »O ja, du schlechte Kreatur. Erst wenn wir verheiratet sind.«
Ohne sich über ihre Ablehnung zu ärgern, lachte er und pflückte eine rote Blume von einer Rabatte am
Pfad. »Eine weise Frau — genau das, was sich ein Mann wünscht!« Dann steckte er ihr die Blume ins Haar.
»Du bist immer so fröhlich«, sagte sie neugierig. »Gibt es eigentlich etwas, was ich sagen oder tun könnte, das dich beleidigt?«
Er grinste. »Ich wäre beleidigt gewesen, wenn du meinen Antrag abgelehnt hättest. Komm, laß uns in den königlichen Bereich des Gartens gehen.«
Meera hatte nicht darauf geachtet, wo sie waren, aber nun entdeckte sie, wie nah sie dem verbotenen Gebiet waren. »Das ist doch nur für die königliche Familie und die höchsten Höflinge. Bekommen wir keinen Ärger, wenn man uns findet?«
»Wir sind Gäste in Dharjistan — wir können so tun, als hätten wir keine Ahnung. Schlimmstenfalls schimpft man mit uns und schickt uns weg«, sagte Zafir unbekümmert. »Der Maharadja würde die Diener seiner Gäste nicht wegen solch eines Unsinns hinrichten lassen.«
Obwohl Meera nicht ganz überzeugt war, konnte sie der Aussicht nicht widerstehen, den privaten Teil des Gartens zu sehen. Sie blickte sich mit Unbehagen um, sah aber niemand anderen. Bald waren sie tief in königlichen Gefilden.
»Ah, das muß der berühmte Banyan-Baum sein«, sagte Zafir und deutete nach vorn.
Banyans waren die faszinierendsten Bäume Indiens, denn die
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