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Indische Naechte

Titel: Indische Naechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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Pferd gute Arbeit leistete.
    Aber es waren nicht nur die offensichtlichen Ge-fahren, die den Paß so beunruhigend machten. Er kam ihr vor wie ein verfluchter Ort. Laura hielt ihre Flinte schußbereit in der Hand, obwohl sie bezweifelte, gegen Geister eine Chance zu haben.
    Sie schaute auf, um einen Blick auf Ian zu werfen. Wenn ihr Mann sich unbehaglich fühlte, dann zeigte er es nicht. Er ritt etwa sechzig Fuß vor ihr her und wirkte so gelassen, als stellte er in einem Park in London seinen neuen Wallach zur Schau. Sie hoffte, daß er bald genug gesehen hatte, um wieder umkehren zu wollen. Sie hatte absolut kein Bedürfnis danach, die Nacht hier oben zu verbringen.
    Laura wollte ihren Blick gerade wieder abwenden, als sich auf dem Felsen, an dem Ian gerade vorbeiritt, ein dunkler Schatten erhob. Entsetzt erkannte sie einen Mann, in dessen Hand eine Klinge aufblitzte — und zwar auf Ians blinder Seite. »Ian — über dir!« schrie sie.
    Zwei Monate zuvor wäre Schreien das einzige gewesen, was sie hätte tun können, doch nun beschränkte sich ihre Erziehung nicht länger auf die einer behüteten jungen Engländerin. Als der Angreifer sich auf Ian stürzte, legte sie das Gewehr an und schoß.
    Der Mann schrie auf und versuchte, mitten im Sprung die Richtung zu ändern. Sein Messer wirbelte durch die Luft und in die Schlucht hinunter. Alarmiert von Lauras Ruf griff Ian nach seinem Revolver, doch im gleichen Moment wieherte sein Pferd vor Angst und stieg. Die folgenden Sekunden kämpfte Ian damit, sein Pferd wieder unter Kontrolle zu zwingen, und nur hervorragende Reitkunst verhinderte, daß Tier und Mensch in den Abgrund stürzten.
    Als Laura feuerte, scheute ihr Pferd, geriet aber
    Gott sei Dank nicht in Panik. Da sie zu Fuß beweglicher war, sprang sie vom Pferderücken und rannte über den steinigen Pfad auf Ian zu. Die Attacke war zu schnell gekommen, als daß sie hätte Angst empfinden können.
    Ian war bereits abgestiegen und sprach beruhigend auf sein Pferd ein, als sie endlich bei ihm war. Der Angreifer, ein Pathane, lag auf dem Rücken auf dem Pfad. Vor einem Augenblick war er noch die Verkörperung des Bösen gewesen, aber jetzt war er nur noch ein lebloser, armseliger Körper. Laura mußte sich an die Felswand stützen, denn plötzlich gaben ihre Knie nach, und sie konnte kaum noch stehen. »Hab ich... hab ich ihn umgebracht?«
    »Nicht, wenn er nicht durch den Sturz gestorben ist.« Ian suchte den Pfad und die Umgebung ab. »Der Kerl scheint allein gewesen zu sein. Wenn nicht, wären die anderen schon über uns hergefallen.«
    Seine Worte erinnerten Laura daran, daß ihre Flinte leer war, und sie lud sie mit klammen Fingern nach. Als sie fertig war, legte ihr Ian den Arm um die Schulter und zog sie an sich. »Hervorragender Schuß. Du hast ihm das Messer aus der Hand geschossen.«
    Sie wischte sich mit einem Turbanzipfel den Schweiß aus der Stirn. »Purer Zufall. Ich habe eigentlich auf seinen Körper gezielt, weil es die größte Fläche bot. Mein Bestreben war, hoch genug zu schießen, damit ich nicht zufällig dich traf.«
    »Das hättest du nicht sagen sollen. Ich wollte mich gerade schon selbst loben, weil ich ein so guter Schießlehrer bin.« Er lachte leise. »Ich habe es dir beigebracht, damit du dein Leben schützen kannst, statt dessen hast du aber wohl das meine gerettet.«
    Seine Heiterkeit und seine Berührung beruhigten
    Laura wieder. Sie begann sich zu entspannen, während sie sich fragte, ob es das gewesen war, was sie förmlich gezwungen hatte, ihn zu begleiten. Mochte es auch Glück gewesen sein, sie hatte tatsächlich verhindert, daß man ihrem Ehemann die Kehle durchschnitt. Gott sei Dank gab es die russische Dickköpfigkeit.
    Der Augenblick des Friedens war vorüber, als der Mann auf dem Boden die Augen öffnete. Ian ließ Laura sofort los und zog den Revolver, aber der Pathane hatte keine Energie mehr, um zu kämpfen. Um seinen linken Arm und seine rechte Wade trug er ungeschickt gewickelte, grobe Verbände, und sein Blick war hoffnungslos, wie der eines Mannes, der alles auf eine letzte Karte gesetzt und verloren hatte. Nichtsdestoweniger richtete Ian den Lauf auf ihn. »Bist du allein?« fragte er auf Pashto.
    Der Mann starrte ihn an, sagte aber nichts.
    Ian richtete nun den Lauf auf ihn. In leichtem Plauderton fragte er: »Was meinst du, wie schnell stirbt man mit einer Kugel im Bauch?«
    Mit heiserer, aber trotziger Stimme preßte der Pathane hervor: »Mach schon, schieß, du

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