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Indische Naechte

Titel: Indische Naechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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akzeptieren — dann, wenn sie es überwunden hatte. Er hoffte es zumindest für sie, denn er fand es schändlich, solch feminine Wärme und solchen Charme zu vergeuden. Abgesehen davon fühlte er sich für Pjotrs Nichte verantwortlich. Ihm gefiel der Gedanke gar nicht, daß sie die langweilige Existenz einer Gouvernante in einem fremden Haus führen wollte.
    Aber dazu würde es nicht kommen. Ian war vielleicht körperlich kein Mann mehr, aber seine Menschenkenntnis hatte nicht gelitten. Laura war eine Frau, die immer Männer anziehen würde, die sie gerne lieben und beschützen wollten. Sie würde jedenfalls nicht den Rest ihres Lebens einsam verbringen müssen.

Kapitel 7
    Laura hatte sich für den Machan ihr maßgeschneidertes Reitkleid angezogen. Nachdem der Major ihren braunen Hosenrock und die hohen Stiefel gemustert hatte, nickte er anerkennend. »Praktische Kleidung. Schade, daß sich nicht mehr Engländerinnen so anziehen.«
    »Der Rock war Vaters Vorschlag«, erklärte sie, als sie eine Feldflasche an ihren Gürtel hakte und ihren Helm aufsetzte. »In Indien verbringt man soviel Zeit zu Pferd, daß wir es besser fanden, wenn ich im
    Herrensitz reite, außer zu den ganz formellen Anlässen, was praktisch nie bedeutet. Und er hat mir schlichtweg verboten, bei dieser Hitze ein Korsett zu tragen. Er behauptete, daß Korsetts dafür verantwortlich seien, warum so viele angloindische Frauen eine zerbrechliche Gesundheit haben: Sie können nicht atmen!«
    »Das hört sich nach einem Mann mit seltenem gesunden Menschenverstand an. Es tut mir sehr leid, daß ich ihn nicht kennenIernen konnte.«
    Laura tat es auch leid. Der Gedanke schickte eine lähmende Woge von Kummer durch ihren Körper, was ihr bereits mehrmals am Tag passiert war. Sie paßte sich seinem Schritt an, als sie sich auf ihren Weg zum Wasserloch machten. Der Pfad wand sich durch die Felder, dann durch lichten Wald, der von saftigen Wiesen unterbrochen wurde. Die Sonne und die Landschaft hoben ihre Stimmung ein wenig. Sie würde nicht zulassen, daß die Verzweiflung sie übermannte.
    Wie sie schon zuvor erkannt hatte, konnte Ian mit einem Auge besser sehen, als manche mit beiden. Während sie nebeneinander her gingen, lenkte er wortlos ihre Aufmerksamkeit auf Dinge, die sie ohne ihn gar nicht bemerkt hätte. Er sah nicht nur mit den Augen, sondern mit all seinen Sinnen. Er war es, der das fast unhörbare Flügelschlagen eines leuchtendbunten Vogels ausmachte, der wie ein Kolibri vor einem blühenden Strauch schwebte. Etwas später schob er ein paar Gräser beiseite, um ein paar weiße Blumen freizulegen. Sie sahen nicht besonders bemerkenswert aus, aber als er eine pflückte und sie Laura gab, stellte sie fest, daß sie einen süßen, seltsamen Duft verströmte.
    Nicht alle seine Entdeckungen waren so harmlos. Nach zwanzig Minuten Wanderung blieb er stehen und streckte die Hand aus, um Laura zu veranlassen, stehen zu bleiben, während er den Wald zu ihrer Linken scharf musterte. Dann zog er sie in den Schutz der Luftwurzeln eines Banyanbaums und lenkte ihren Blick auf einen Fleck im Geäst, ein paar hundert Schritte entfernt. Gehorsam schirmte sie ihre Augen mit einer Hand ab und schaute nach oben, wobei sie sich fragte, was sie wohl entdecken sollte.
    Ihr Unterkiefer fiel herab, als sie erkannte, was sich in den schattigen Ästen verbarg: Es war ein Leopard. Die Flecken der Raubkatze boten eine fast perfekte Tarnung für das Tier, das sich müßig auf einem Ast räkelte und die Pfoten und den Schwanz hängen ließ, als sei es ein kuschelweiches Kinderspielzeug.
    Als der Schrei eines Leoparden direkt neben ihr ertönte, fuhr Laura heftig zusammen. Ihrer Kehle entrang sich ein erstickter Laut, und sie wirbelte herum. Halb erwartete sie, daß sich das Tier auf ihren Begleiter hatte fallen lassen, bemerkte aber verblüfft, daß es Ian gewesen war, der den Ruf der großen Katze nachgeahmt hatte. Wie betäubt wandte sie sich zu dem echten Leoparden um. Wie würde er reagieren?
    Aus dem Schlummer gerissen, schnellte der Kopf der Katze ruckartig hoch, und die Ohren drehten sich aufmerksam nach vorne. Nach einer Weile konzentrierten Lauschens ließ sich der Leopard lautlos von seinem Ast gleiten und verschwand im Gras.
    Nervös beobachtete Laura die schwankenden Halme, die darauf hinwiesen, daß das Tier kam, um zu sehen, was für ein Rivale in sein Revier eingedrungen war. Sie glaubte zwar nicht, daß Ian ein Risiko einging, aber sie fand ihn doch

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