Indische Naechte
Jahre beim 46. war ich in Ferozepore, am Rand des Punjab. Natürlich war ich begeistert.« Ians Lächeln war sardonisch. »Es gab jede Menge Gelegenheiten zum Kampf, und mit neunzehn war ich darauf gedrillt, dem Ruhm hinterherzujagen.«
»Ich nehme an, der Krieg entsprach nicht deinen Erwartungen?«
Ian schwieg so lange, daß Laura schon glaubte, er würde gar nicht antworten. Je näher sie Cambay kamen, desto stiller war er geworden.
Doch als sie die Ebene erreicht hatten, sprach er wieder. »Krieg ist unglaublich scheußlich und so oft unsinnig, und er bringt sowohl das Beste als auch das Schlechteste des Menschen ans Tageslicht. Mit dem Einsatz von Leben und Tod ist der Krieg das ultimative Spiel, die schwerste Prüfung von Mut und Ehre. Deswegen kommt er nie außer Mode. Als meine Illusionen erst einmal vernichtet waren, konnte ich keinen Spaß mehr an Schlachten finden - dennoch bereue ich auch nicht, diese Erfahrung gemacht zu haben.«
Dies war ein kurzer, scharfer Blick in eine Welt gewesen, in der sich nicht nur Ian, sondern auch Lauras Vater und Onkel bewegt hatten. Nicht sicher, was sie als Antwort erwarten sollte, fragte sie ihn: »Hättest du vor drei Jahren dieselbe Antwort gegeben?«
»Vor drei Jahren wurde mein simpler Verstand nicht durch tiefsinnige Gedanken oder Ambivalenzen verwirrt«, erwiderte er. Er wies auf eine Straße zur Linken und setzte hinzu: »Wir müssen hier abbiegen. Da hinten, unter den Bäumen, liegt der Bungalow meines Bruders.«
Es war ein offener, einladend wirkender Ort. »Werden wir lange bleiben?« fragte sie. »Ich hätte nichts dagegen, ein paar Tage hintereinander im gleichen Bett zu schlafen.«
»Drei Tage sollten ausreichen, um den wichtigsten gesellschaftlichen Verpflichtungen zu genügen«, sagte Ian knapp.
Laura fühlte sich ein wenig unbehaglich, da sie nun ein Mitglied seiner Familie kennenIernen würde. Obwohl Ian ihr versicherte, daß die Camerons sie lieben würden, war sich Laura nur allzu bewußt, daß ein Mitglied des Oberhauses eine bessere Partie hätte machen können, als sich eine verwaiste, unvermögende Anglo-Russin mit einem unauffälligen Äußeren zur Frau zu nehmen. Natürlich machte Ians Verletzung es ihm unmöglich, eine normale Ehe einzugehen, aber davon wußte ja niemand. Seine Freunde und seine Familie mußten denken, daß er eine merkwürdige Wahl getroffen hatte, vielleicht glaubten sie sogar, sie hätte ihn irgendwie mit einer List in die Ehe gelockt.
Heftig befahl sie sich, damit aufzuhören, sich Sorgen darüber zu machen, was andere Leute über sie dachten. Sie waren verheiratet, und sie bereute es nicht. Und Ian wohl auch nicht.
Sie zügelten ihre Pferde vor dem flachen Gebäude. Ian stieg ab und kam zu Laura herüber, um ihr herabzuhelfen. Doch bevor er sie erreicht hatte, schwang die Tür des Hauses auf und ein junger Mann in Uniform sprang die Treppen herab. »Ian! Ich bin froh, daß du endlich zurück bist. Hast du Erfolg gehabt?«
Obwohl der Mann dunkleres Haar und einen kräf-tigeren Körperbau besaß, konnte Laura ihn leicht als Ians Bruder identifizieren, denn sie sahen sich sehr ähnlich. David wirkte mit seinem Grinsen jedoch unkompliziert und ganz anders als Ian.
»Und wie ich Erfolg gehabt habe, David«, sagte Ian und schüttelte mit deutlicher Freude Davids Hand. »Ich habe nicht nur Pjotrs Nichte gefunden, ich habe sie auch gleich geheiratet. Komm, ich möchte dir meine Frau Laura vorstellen.«
Von der erhöhten Position ihres Pferdes aus konnte Laura erkennen, daß David ernstlich schockiert war. »Aber...« Was auch immer er hatte sagen wollen, er schluckte es hinunter. Mit einem herzlichen Lächeln kam er zu Laura und bot ihr seine Hand, um ihr beim Absteigen zu helfen. »Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Laura. Willkommen im Cameron-Clan.«
Als sie abgestiegen war, sagte sie verlegen: »Ich weiß, es kommt etwas plötzlich.«
»Da die attraktiven Frauen in Indien knapp gesät sind, kommt die Liebe oft sehr plötzlich.« David musterte sie mit unverhohlenem Vergnügen. »Wenn es darum geht, schnell zu handeln, kann man sich auf den erfahrenen Veteran Ian verlassen.« Er nickte dem Stallburschen zu, der die Pferde nehmen wollte, dann drängte er seine Gäste ins Haus. »Kommt rein und trinkt etwas Kaltes. Ihr müßt ja nach dem langen Ritt in der Hitze wie ausgetrocknet sein.«
Dann, als alle drei die Stufen zum Bungalow hinaufstiegen, fügte er hinzu: »Ich warne dich besser gleich, Ian. Jeder im Regiment
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