Individuum und Massenschicksal
muß nicht nur handeln, er muß auch konstruktiv handeln, und er muß das Gefühl haben, daß sein Handeln im Dienste einer guten Sache steht.
Wenn dieser natürliche Impuls jedoch ständig auf Ablehnung stößt, dann wird jeder Idealist zum Fanatiker. Jeder Mensch aber ist auf seine Weise ein Idealist.
(Nach einer Pause um 22.28 Uhr:) Macht ist etwas Natürliches. Sie tritt zutage im natürlichen Vermögen des Muskels, sich zu bewegen, oder des Auges zu sehen oder des Verstandes zu denken oder in euren Emotionen. In alledem äußert sich die eigentliche Macht, und weder die Anhäufung von Reichtum noch Berühmtheit kann diese natürliche innere Vollmacht dort, wo sie fehlt, ersetzen. Die Macht liegt stets beim Individuum, und vom Individuum muß daher auch alle politische Macht ausgehen. (Pause.)
Die Demokratie ist ein äußerst interessantes Regierungssystem und von großer Bedeutung, weil es dem individuellen Bewußtsein so viel abfordert und weil es sich vornehmlich auf den Glauben an die Macht des Einzelmenschen gründen muß. Es spricht für diesen Glauben, daß er sich in eurem Lande gehalten und angesichts der völlig entgegengesetzten Glaubensüberzeugungen von Wissenschaft und Religion soviel Lebenskraft bewiesen hat.
Die Idee [der Demokratie] bringt einen hohen Idealismus zum Ausdruck - (mit Nachdruck) einen Idealismus, der zu seiner praktischen Verwirklichung auf politische und soziale Organisationen angewiesen ist, die einigermaßen effizient sein müssen. Versagen diese Organisationen und wird die Kluft zwischen Ideal und Wirklichkeit zu groß, dann tragen solche Umstände dazu bei, daß aus Idealisten Fanatiker werden. (Lange Pause.) Menschen, die strikt dem Diktat der Wissenschaft oder der Religion folgen, können von einem Moment auf den anderen die Fronten wechseln. Der Wissenschaftler verlegt sich aufs Tischerücken oder dergleichen; der Grenzen wissenschaftlicher Erkenntnisse plötzlich überdrüssig geworden, widmet er sich nun mit Hingabe dem, was er für deren Gegenteil oder rein intuitives Wissen hält. So blockiert er nun seine Vernunft ebenso fanatisch, wie er früher seine Intuitionen blockiert hat.
Der harte Geschäftsmann, der an die darwinistischen Prinzipien und den Kampf ums Überleben glaubte, der in einer Welt des Wettbewerbs das Recht des Stärkeren zu seinem Ideal des Überlebens erhoben hatte und auch vor Betrug nicht zurückscheute, wird plötzlich zum religiösen Fundamentalisten und versucht, sich jetzt seines inneren Kräftepotentials zu vergewissern, indem er seine zusammengerafften Reichtümer fortschenkt in dem undeutlichen Bestreben, einen natürlichen Idealismus in einer praktischen Welt zum Ausdruck zu bringen.
Wie könnt ihr euren Impulsen Vertrauen schenken, wenn ihr zum Beispiel lest, daß jemand einen Mord beging, weil er einen starken Impuls dazu verspürte oder weil es ihm eine innere Stimme befahl?
Würden einige von euch in diesem Augenblick einfach ihren Impulsen folgen - ihren ersten natürlichen Impulsen -, so könnten diese wohl den Anschein erwecken, sie wären grausam oder zerstörerisch.
Wie beeinflussen eure Impulse eure zukünftige Erfahrung? Und wie tragen sie zur Herausbildung der für eine ganze Masse von Menschen maßgebenden Wirklichkeit dieser Welt bei?
(Laut, unvermittelt:) Ende des Diktats.
(22.42 Uhr. Jetzt beginnt Seth mit der Analyse eines sehr lebhaften Traums, den Jane vor kurzem gehabt hatte und in dem ihre verstorbene Mutter vorkam. Er beendete die Sitzung um 22.56 Uhr.
Als ich Jane sagte, sie habe eine großartige, oft leidenschaftliche Sitzung abgehalten, erwiderte sie, daß sie heute morgen eine halbe Seite ganz ähnlichen Inhalts wie Seths Material geschrieben habe.) Sitzung 859, Mittwoch, den 6. Juni 1979
(Jane hat sich sehr bemüht, ihre Impulse auszumachen, ihnen nachzugehen und sie zu befolgen, seit Seth so nachdrücklich auf diese hingewiesen hat. Sie nimmt vor allem dann Impulse wahr, wenn sie an ihrem neuen Buch »Heroics« arbeitet, wobei sie sich seltsamerweise mit einer Reihe scheinbar widersprüchlicher Impulse bedrängt fühlt. Sie verbrachte den Montag und Dienstag mit dem Lesen von Lyriktexten, die sie geschrieben hatte, noch bevor Sitzungen stattfanden, die wir im Jahre 1963 aufgenommen hatten und fragte sich, warum sie statt dessen nicht an ihrem Buch zu arbeiten sich gedrängt fühlte. Und gestern abend entdeckte sie dann den intuitiven Zusammenhang: sie hatte die ganze Zeit an dem Buch gearbeitet! In
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