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Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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und kundiger als in jenen Jahren. Wenn ich an Pedro denke, sind es diese Momente, die ich hüte wie einen Schatz; so möchte ich ihn in Erinnerung behalten, mit seinen vierzig und ein paar Jahren, gezeichnet vom Hunger, aber guten Muts und entschlossen, voller Hoffnungen. Ich könnte sagen, daß ich ihn auch verliebt in Erinnerung behalten will, doch das versteht sich von selbst, denn verliebt ist er immer gewesen, selbst als wir uns trennten. Ich weiß, er war in Gedanken bei mir, als er starb. Damals, im Jahr 1553, war ich in Santiago, und er führte Krieg in Tucapel, viele Meilen weiter im Süden, aber ich spürte so deutlich, wie er litt und starb, daß ich, als man mir Wochen später die Nachricht brachte, nicht weinte. Ich hatte schon all meine Tränen erschöpft.
    Es war Mitte Dezember, zwei Jahre nachdem Hauptmann Monroy zu seiner gewagten Mission aufgebrochen war, und wir übten eben Weihnachtslieder ein und bastelten eine Krippe für unser bescheidenes Christfest, da erreichte ein erschöpfter, staubüberzogener Mann die Tore Santiagos, der um ein Haar nicht eingelassen worden wäre, weil die Wachen ihn zunächst nicht erkannten. Es war einer unserer Yanaconas. Zwei Tage war er gelaufen und hatte es geschafft, von feindlichen Blicken unbemerkt durch die Wälder bis zur Stadt zu gelangen. Er gehörte zu einer kleinen Schar, die Pedro in einer Bucht an der Küste stationiert hatte, um dort Hilfe aus Peru zu erwarten. Auf einer Klippe hatten sie mehrere Leuchtfeuer vorbereitet, die entzündet werden sollten, sobald ein Schiff in Sicht käme. Endlich hatten die Wächter, die schon seit einer Ewigkeit den Horizont absuchten, ein Segel erspäht und dem Schiff, trunken vor Freude, die vereinbarten Zeichen gegeben. Das Schiff fuhr unter dem Befehl eines alten Freundes von Pedro de Valdivia und brachte uns die lang ersehnte Hilfe.
    »Nun, Menschen sollen kommen und Pferde für dasTragen, Herr. Das nur soll ich dir sagen von dem Viracocha auf dem Schiff«, brachte der Bote atemlos hervor.
    Zusammen mit einigen seiner Hauptleute brach Pedro in schnellem Ritt an die Küste auf. Die Freude in der Stadt ist kaum in Worte zu fassen. Viele unserer hartgesottenen Soldaten weinten vor Erleichterung, und in unserer Aufregung folgte niemand dem Ruf des Priesters zum Dankgebet. Alle waren wir auf der Mauer versammelt und blickten gebannt auf den Weg, obwohl wir wußten, daß es noch Tage dauern würde, bis die Gäste Santiago erreichten.
    Schieres Grauen spiegelte sich in den Mienen der Männer vom Schiff, als sie an der Küste Valdivia und seine Soldaten erblickten und dann bei ihrem Einzug in die Stadt uns. So bekamen wir eine Ahnung vom Ausmaß unseres Elends. Unsere ausgemergelten Leiber, die Lumpen und der Schmutz waren uns zum vertrauten Anblick geworden, aber als wir begriffen, daß wir Mitleid erregten, schämten wir uns tief. Obwohl wir uns nach Kräften herausgeputzt hatten und Santiago uns prächtig schien unter der strahlenden Sommersonne, weckten wir in unseren Besuchern solche Anteilnahme, daß sie Valdivia und seinen Hauptleuten sogar Kleidung zu schenken versuchten, aber für einen Spanier gibt es keine schlimmere Demütigung, als Almosen annehmen zu müssen. Was wir nicht bezahlen konnten, wurde auf Schuldscheinen festgehalten, und Pedro bürgte für alle, weil wir kein Gold besaßen. Die Kaufleute, die das Schiff in Peru geheuert hatten, waren es zufrieden; ihr investiertes Kapital hatten sie verdreifacht, denn dafür, daß die Schulden eines Tages bezahlt würden, war Valdivias Wort ihnen Gewähr genug. Unter den Kaufleuten befand sich auch der eine, der Pedro in Cuzco einst Geld zu Wucherzinsen geliehen hatte, um die Expedition auszurüsten. Er war gekommen, ein Vielfaches der ursprünglichen Summe einzutreiben, ließ sich indes, als er den Zustand unserer kleinen Kolonie gewahrte, auf eine gerechte Abmachungein, weil er begriff, daß er sonst womöglich leer ausgehen würde. Für mich kaufte Pedro aus der Schiffsladung drei Hemden aus Leinen und eins aus feinem Batist, einfache Röcke für jeden Tag und andere aus Seide, ein Paar Stiefel für die Arbeit und zierliche Damenschuhe, außerdem Seife, Orangenblütencreme fürs Gesicht und einen Flakon mit Parfum, alles Luxusgüter, von denen ich geglaubt hatte, sie nie wiederzusehen.
    Das Schiff hatten wir Hauptmann Monroy zu verdanken. Während wir in großer Not in Santiago ausgeharrt hatten, waren er und seine fünf Begleiter bis nach Copiapó gelangt, dort

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