Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Urkunden aus diesen Jahren der Entbehrung.
Warten und immerzu warten, damit vergingen unsere Tage. Wir warteten mit griffbereiten Waffen auf die Indios, warteten, daß eine Maus in die Falle ging, warteten auf Nachricht von Monroy. Wir waren in der Stadt gefangen, von Feinden umringt, halbverhungert, und doch ertrugen wir unser Unglück und das Elend nicht ohne Stolz. An Festtagen zogen die Soldaten ihre vollständige Rüstung über die blanke oder von Kaninchen- und Rattenfellen geschützte Haut, weil sie keine Kleider besaßen, die sie hätten darunterziehen können, aber die Harnische glänzten wie Silber.Die einzige Soutane von González de Marmolejo war starr von Flicken und Schmutz, aber für die Messe legte er sich den Streifen einer von den Flammen verschonten Spitzentischdecke um. Genau wie Cecilia und die anderen Frauen der Hauptleute besaß auch ich keine anständigen Röcke, doch wir verwandten Stunden auf unsere Frisuren und malten uns die Lippen rosarot mit den Beeren eines Strauchs, von denen Catalina behauptete, sie seien giftig. Gestorben ist keine daran, aber es stimmt, daß wir garstigen Dünnpfiff davon bekamen. Über unser Elend sprachen wir allenfalls in spöttischem Ton, denn sich ernsthaft zu beklagen wäre uns kleinmütig erschienen. Die Yanaconas verstanden diesen urspanischen Humor nicht, schlichen einher wie geprügelte Hunde und träumten von der Rückkehr nach Peru. Einige der Frauen flüchteten sich zu den Mapuche, bei denen sie wenigsten zu essen haben würden, und keine ward je wieder gesehen. Um zu verhindern, daß andere diesem Beispiel folgten, setzten wir das Gerücht in die Welt, die Mapuche hätte sie aufgegessen, auch wenn Felipe behauptete, die Krieger seien stets bereit, weitere Frauen in ihre Familien aufzunehmen.
»Was geschieht mit den Frauen, wenn der Mann stirbt?« wollte ich in einer unserer Unterrichtsstunden von ihm wissen, weil doch so viele Krieger in den Kämpfen ihr Leben ließen.
»Man tut, was getan werden muß: Der älteste Sohn erbt alle außer seiner Mutter.«
»Und du, Kleiner? Willst du nicht bald heiraten?« zog ich ihn auf.
»Es ist nicht der richtige Augenblick, eine Frau zu rauben«, sagte er todernst.
Bei den Mapuche sei es Sitte, daß der Bräutigam mit Hilfe seiner Brüder und Freunde das Mädchen raubt, das er begehrt, erklärte er mir. Manchmal dringt dieser Trupp von Halbstarken gewaltsam in die Hütte des Mädchens ein,fesselt die Eltern und nimmt die strampelnde Braut mit, aber später wird, sofern das Mädchen einwilligt, die Untat wieder wettgemacht, indem der Anwärter seinen zukünftigen Schwiegereltern die ihnen zustehenden Tiere und sonstigen Güter übergibt. Der Bund ist damit besiegelt. Ein Mann kann mehrere Frauen haben, muß aber jeder dasselbe geben und alle gleich behandeln. Oft heiratet er zwei oder mehr Schwestern, damit die zusammenbleiben können. González de Marmolejo, der oft bei unseren Unterrichtsstunden zugegen war, erklärte Felipe, diese ungezügelte Wollust sei ein schlagender Beweis dafür, daß der Teufel unter den Mapuche sein Unwesen treibe, die ohne das heilige Wasser der Taufe in den Feuern der Hölle schmoren würden. Der Junge wollte wissen, ob der Teufel denn auch unter den Spaniern sein Unwesen trieb, die sich ein Dutzend indianische Frauen nahmen, ohne die Eltern mit Lamas und Guanacos zu entschädigen, wie es sich gehörte, und die ihre Frauen auch schlugen, sie nicht alle gleich behandelten und nach Gutdünken gegen andere austauschten. Vielleicht würden Spanier und Mapuche sich ja in der Hölle wiedersehen und einander dort bis zum Sanktnimmerleinstag umbringen. Ich fiel fast über die eigenen Füße, als ich aus dem Zimmer flüchtete, um vor dem ehrwürdigen Gottesmann nicht in schallendes Gelächter auszubrechen.
Pedro und ich waren für die Plackerei, nicht für den Müßiggang geschaffen. Wir wuchsen an der Herausforderung, den nächsten Tag zu überstehen und die Moral unserer Kolonie aufrechtzuerhalten. Nur wenn keiner sonst da war, erlaubten wir es uns manchmal, den Kopf hängen zu lassen, aber lange währte das nie, und bald lachten wir wieder über uns. »Lieber esse ich hier mit dir Mäuse, als am spanischen Hof in Samt und Seide zu gehen«, sagte ich. »Du bist lieber hier Gouverneurin, als in Plasencia zu klöppeln, wolltest du wohl sagen«, spottete er. Und kichernd wie die Kinder sanken wir engumschlungen aufs Bett. Nie waren wir einandernäher, nie liebten wir uns leidenschaftlicher
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